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Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken

Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken

Titel: Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Puri
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Pferdeschwanz zurückgeschabte, blondierte Haare mit dunklem Ansatz. Zu diesem Outfit gehören, falls das Essex girl älter als 15 ist, ein Kinderwagen, eine Fluppe (fag) im Mundwinkel und ein männlicher Begleiter (chav) mit rasierter Glatze, Bierflasche und Sportdress. Womit es ziemlich genau dem Outfit entspricht, das man in Deutschland unter veritablen Vollprolls findet.
    Für deutsche Augen ungewohnt ist der Umstand, dass in England ausgesprochen viele Menschen in Schlips und Kragen herumlaufen – nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder. In England sind nämlich Schuluniformen vorgeschrieben, und diese unterliegen strengen Regeln. So müssen die Röcke der Mädchen eine angemessene Länge (an appropriate length) haben, das heißt, sie dürfen keinesfalls kurz genug sein, um gut auszusehen und keinesfalls lang genug, um die nackten Beine im Winter zu wärmen (Sie wissen schon: Abhärtung!). Die Jungen müssen das ganze Jahr lange, schwitzige, kratzende Hosen tragen, auch im Hochsommer. Als Deutscher werden Sie das fürchterlich un-individuell finden. Ich erinnere mich aber, dass ich sehr stolz war, als ich mit fünf Jahren endlich die herbeigesehnte Uniform tragen durfte. 12 Und auch im heutigen England ist man weit davon entfernt, die Uniformen zu verdammen. Im Gegenteil: An einer einst krawattenlosen Primarschule in Essex forderten sogar die Schüler selbst vor ein paar Jahren Krawattenpflicht!
    Ein bisschen schwieriger wird die Sache mit der Uniform freilich, wenn man als Mädchen mit zwölf, dreizehn nicht mehr nur seine Mama (Mummy), seine Oma (Granny) und sein Pflegepony (Twinkles) beeindrucken will und dabei merkt, dass Jungs es viel cooler finden, wenn der Rock nicht 10 Zentimeter unter, sondern 10 Zentimeter über dem Knie aufhört. Und vice versa als Junge feststellt, dass Mädchen es viel cooler finden, wenn das Hemd über der Hose hängt und die Krawatte so kurz und achtlos gebunden ist wie die von Pete Doherty. Um das Elend kurz zu machen: An dem Tag, an dem man es mit viel Handarbeit geschafft hat, die Uniform so umzuarbeiten, dass man darin gut aussieht, läuft man garantiert dem korinthenkackerigsten Lehrer (nitpicker) der ganzen Schule in die Arme. Ergebnis: Man wird stehenden Fußes nach Hause geschickt, muss nachsitzen oder – die Höchststrafe! – zur Ersatz-Uniform-Kiste dackeln, wo man bestenfalls eine viel zu große Uniform mit Speckflecken findet, die vom Schulsport-Tag übrig geblieben ist und die man dann einen ganzen Schultag lang tragen muss. Um die Uniformen genau bis zu dem Grad abzuwandeln, dass es zwar den anderen Schülern auffällt, den Lehrern aber nicht, bedarf es großer Kreativität und es ist mittlerweile fast eine Art Sport, rauszufinden, womit man durchkommt und womit nicht. Die letzten zwei Jahre vor dem Abitur muss man übrigens keine Uniform mehr tragen, sondern darf im sogenannten mufti zur Schule. Auf Deutsch: „in Zivil“.
    Immer extrem mufti läuft eine andere Bevölkerungsgruppe herum. Genau genommen so mufti , dass man ihnen ein paar Münzen und eine warme Mahlzeit in die Hand drücken möchte. Zu Unrecht. Wenn Sie einen ungekämmten Engländer in mottendurchlöchertem Pullover, zerfledderten Hosen, speckigem Hut, von Wollmäusen übersätem Schal und abgetretenen Schuhen aus dem letzten Jahrhundert sehen, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein Mitglied der upper class , die mit Mode einfach nichts am Hut hat. Das tut ihrem Ansehen übrigens keinerlei Abbruch. Im Gegenteil: Man versteht es einfach als ein Beispiel für die typisch englische, liebenswerte Exzentrik.
    Eine weitere englische Besonderheit in Sachen Kleidung leitet sich ab von den sogenannten Christmas Pantomimes , „Weihnachtspantomimen“. Diese haben nichts mit Weihnachtsmännern in Gymnastikanzügen zu tun, die unsichtbare Weihnachtsbäume aufstellen, sondern zeichnen sich dadurch aus, dass die männlichen Darsteller Frauenkleider tragen und die weiblichen Darsteller Männerkleidung und sich alle verbal mit schlüpfrigen Doppeldeutigkeiten bewerfen. Cross-dressing nennt man in England diese Form der Bekleidung, bei der man sich die Garderobe des anderen Geschlechts ausborgt. Das hat in England vor allem bei Männern Tradition – nicht nur in Comedy-Shows wie Monty Python oder Little Britain, sondern auch im Alltag. Im Gegensatz zu deutschen Männern, die allenfalls an Fasching, bei Aufführungen der Rocky Horror Picture Show oder heimlich vor dem heimischen Schlafzimmerspiegel

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