Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken

Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken

Titel: Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Puri
Vom Netzwerk:
Unterschied, ob die Vorfahren dereinst mit den Normannen auf die Insel gekommen sind oder im Container. So etwas sagen natürlich nur Politiker oder Leute der oberen Klassen, und es ist genauso unsinnig, als würde man in Deutschland behaupten, es sei kein Unterschied ob ein Mercedes S-Klasse in der Garage steht oder ein Plastikdreirad.
    Schauen wir sie uns mal näher an, die englische Klassengesellschaft – in der korrekten Reihenfolge, von oben nach unten: Zur upper class gehören die Leute, die seit Generationen entweder adelig oder reich sind – oder beides: sogenannte toffs . Ob der Name die kurze Form für toffeenosed („hochnäsig“) ist oder von tuft (der goldenen Troddel, die adlige Oxford- und Cambridge Studenten früher trugen) abgeleitet wurde, ist unklar. Klar ist: Viele toffs besitzen ganze Grafschaften mit Schlössern, Gartenteichen in der Größe des Plöner Sees und Auffahrten, auf denen sie stundenlang mit ihren Bentleys und Jaguars spazieren fahren können. Manche haben als Zweitwagen Geländelimousinen , sogenannte Chelsea Tractors . Erstens, weil man darin so schön über allen anderen Autos thront. Zweitens, weil darin Platz für die vier Kinder und die drei Hunde ist. Drittens: Weil dann jeder sehen kann, dass man sich vier Kinder und drei Hunde leisten kann. Und viertens, weil man ja schließlich irgendwie jedes Wochenende die schlammigen Landstraßen von der Londoner Hauptwohnung zu oben genanntem Wochenend-Domizil passieren muss. Für all die toffs , die sich kein Wochenendhäuschen leisten können und vor ihren Nachbarn nicht doof dastehen wollen, gibt es Spray-on-mud -Schlamm zum Aufsprühen! Übrigens sind toffs in Wahrheit gar nicht alle reich. Im Gegenteil. Man sieht sie oft schlotternd und im mottendurchlöcherten Kaschmirpullover im einzigen geheizten Raum ihres Schlösschens an Beuteltee nippen und dazu Kekse von Tesco essen, um sich das teure Schulgeld für die Kinder – die so klangvolle Namen tragen wie Hugo Sebastian Fothergill, Arabella Fiona Claire, Hubert Gwilym Boris oder Eugenie Camilla Primrose – vom Munde abzusparen! Damit diese später auch vor dem Kamin ihres Schlösschens an Beuteltee nippen, Kekse von Tesco essen und Ausdrücke wie splendid („prächtig“) und delightful („entzückend“) sagen können. Im toff -Akzent klingt das übrigens eher wie splndd und dltfl , da toffs traditionell alle Vokale auslassen – ganz so, als würden sie Telegramme schreiben, die aus oben genannten Gründen nicht zu teuer werden sollen. Auf toffish klingt zum Beispiel half past ten ( „ halb elf“) wie hpstn . Und handkerchief („Taschentuch“) wie hnkrchf . Überhaupt hört sich alles, was toffs sagen, an, als wäre der Mund nur stecknadelkopfgroß oder als würde das Kinn fehlen. Chinless wonders , auf Deutsch: „kinnlose Wunder “, heißen toffs und auch Angehörige der Royal Family im englischen Volksmund. Dieser Begriff bezieht sich auf die ziemlich kinnlose Queen Victoria, die erstaunlicherweise sowohl die Ur-ur-Großmutter der amtierenden Königin Queen Elisabeth II. ist als auch die Ur-ur-Großmutter ihres Mannes Prince Philipp. Der Begriff chinless wonder ist somit eine sehr diskrete Anspielung darauf, dass alle Mitglieder der höheren Stände Queen Victoria irgendwie ähnlich sehen. Was wiederum eine sehr diskrete Anspielung darauf ist, dass diese höheren Stände sich offenbar seit Jahrhunderten ausschließlich untereinander fortgepflanzt haben. 9
    Trotz dieser kleinen Neurosen und Defekte sind upper class toffs an und für sich recht liebenswert und harmlos, das heißt: Wenn Sie in einer einsamen Straße auf eine gang von kinnlosen toffs treffen, müssen Sie also weder die Beine in die Hand nehmen noch ihr Handy verstecken. Nicken Sie einfach freundlich und sagen sie: „Gntlmn, tsplsretmtye!“ 10
    Eine Stufe tiefer auf der Klassenleiter steht die middle class , die man daran erkennt, dass sie versucht, sich möglichst upper class zu verhalten. Oder, um es mit einem typischen middle class- Begriff zu sagen: posh. Das heißt soviel wie nobel oder vornehm. Als posh gilt es zum Beispiel, Wörter wie croissant mit französischem r auszusprechen: crrrassong . Oder statt Munich Munken zu sagen. Das führt naturgemäß nirgendwohin, schon gar nicht nach München. Eine echte middle class -Marotte ist auch, bei jeder Gelegenheit spitzlippig pardon zu sagen. Was dazu führte, dass middle class -Orte bei der upper class – die statt pardon selbstverständlich sorry

Weitere Kostenlose Bücher