Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken
oder sorry, what? sagt – mittlerweile den Kosenamen Pardonia tragen. Weitere middle class -Worte sind toilet , serviette und settee sowie living room; ganz egal, wie näselnd man sie ausspricht verraten sie sofort, dass man ganz und gar nicht adlig ist, sondern vollkommen common – stinknormal also. Und das ist nun wirklich das Schlimmste, was man einem middle class -Engländer an den Kopf werfen kann. Was man allerdings nur täte, wenn man selbst common wäre. In den späten 50ern gab es Kurse, in denen furchterregende Frauen in Strick-Twinsets middle class -Leuten einhämmerten, wie man not common spricht, not common isst, sich not common kleidet und not common aus dem Auto aussteigt. Was hat’s gebracht? Nothing – pardon: nthng ! Also versuchen middle class -Leute heute ihre Kinder (Katie und Duncan) mit Tennis, Ballett und Geigenunterricht aufzupäppeln, damit wenigstens sie irgendwann in die upper class aufsteigen. Was – man ahnt es – ein ebenso fruchtloses Unterfangen ist. Es sei denn, man schafft es wie Diana Spencer oder Kate Middleton, einen Royal zu heiraten. (Aber dann muss man zur Strafe jedes zweite Wochenende mit Gummistiefeln im englischen Hochmoor rumstapfen und sich von den Corgi-Hunden der Queen abschlecken lassen. Auch doof.) Da nach oben hin also nichts geht, treten viele middle class -Vertreter sozusagen einen Rückzug nach vorne an, in dem sie einfach so tun, als seien sie schon aufgestiegen – von der working class zur middle class nämlich. Sie streuen cockney -Begriffe wie mate und innit ein, erzählen bei jeder Gelegenheit davon, wie sie praktisch im Pappkarton aufgewachsen sind und im Winter die Eiszapfen am Plumpsklo weghacken mussten, weil der Vater auf Schicht war (als Lehrer, hihi!). Schon ist ihnen die Bewunderung aller gewiss. Was für ein geschickter Schachzug!
Wer wirklich zur working class gehört, ist heute übrigens gar nicht mehr so einfach zu sagen. Früher waren das Fabrikarbeiter, Maurer, Schreiner oder Gärtner – alle also, die einen Blaumann (blue collar suit) trugen, Dreck unter den Fingernägeln hatten und nach Stunden entlohnt wurden. Blue collar class nannte man die working class früher dementsprechend – im Gegensatz zu der white collar class , die in gestärktem weißem Hemd und Anzug im Büro saß und sich einen faulen Lenz machte.
Heute verdient manch ein Klempner an einem Tag mehr als mittelständische Manager in einer Woche. Und seit alle Leute in den Medien arbeiten ist ohnehin alles ein einziges Drunter und Drüber (higgledy-piggledy) . Überhaupt gibt es die working class in dem Sinn ja gar nicht mehr, jedenfalls wenn man die middle class fragt, die diverse Begriffe kennt, um den scheußlichen Ausdruck working class zu umschiffen: Niedriglohnbezieher, unterprivilegierte Mitbürger, bildungsferne Gruppe … Solche Wortverschönerungen kennt man ja in Deutschland auch. Die ändern jedoch nichts an der Tatsache, dass Sue und Jack (aus der Klasse, deren Name nicht genannt werden darf) grundsätzlich künstliche Blumen auf dem Kaminsims, PVC-Boden mit Terrakotta-Muster, unironisch gemeinte Gartenzwerge und zwei Kinder namens Sharon und Kevin haben.
Die gesellschaftliche Klasse wechseln zu wollen, ist in England wahrscheinlich mindestens ebenso aussichtslos wie im indischen Kastensystem – und ohnehin müßig. Denn egal, wo man sich auf der englischen Klassenleiter befindet, es gibt immer jemanden, der einen von oben herab verspottet.
Ein bisschen wie die Klassengesellschaft funktioniert auch die Leidenschaft der Engländer, sich in obskuren Clubs zusammenzurotten, für deren Mitgliedschaft man Unsummen jährlicher Beiträge zahlen muss. So gibt es beispielsweise die British Button Society , die „Britische Knopf-Gesellschaft“, die Knopfliebhabern hilft, Knöpfe zu identifizieren, die Cloud Appreciation Society, die sich die Wertschätzung von Wolken zur Aufgaben gemacht hat und einen Club namens Sublime Society of Beefsteak , „Vortreffliche Beefsteak-Gesellschaft“, der so elitär ist, dass sogar der Prince of Wales den Tod eines Mitglieds abwarten musste, um aufgenommen zu werden. In diesem Club trifft man sich, um vortreffliches Steak zu essen, darüber zu reden, wie vortrefflich Steak ist, Lieder wie den Steak Song zu singen und eine komische Uniform mit einem Abzeichen zu tragen, auf dem Beef and Liberty , „Rindfleisch und Freiheit“, steht. Engländer. Tss.
Mode made in England
Halbnackte im Schnee, Männer in Perücken, Kinder in
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