Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken
vergleichen lässt. Oder mit shandy , einem Gemisch aus Bier und Limonade, das wie Radler, Alsterwasser oder Berliner Weiße dazu verführt, Unmengen zu trinken und im Anschluss dann noch – „Nee, ich kann echt noch!“ – mit dem Auto nach Hause zu fahren.
Falls Sie in England selbst zu Kochlöffel und Schürze greifen, empfehle ich Ihnen einen Gang durch die beeindruckende Lebensmittelabteilung von Marks & Spencer . Diese Kaufhauskette ist in etwa so englisch wie – sagen wir mal: die Queen, die in den Union Jack eingehüllt auf einem Doppeldecker durch London fahrend Fish& Chips isst und dazu „She’s a jolly good fellow“ singt.
Bei einer Einladung zum Essen ist es wichtig zu wissen, dass das Frühstück breakfast oder brekkie heißt, elevenses die kleine Frühstückspause zwischendurch meint, das Mittagessen lunch oder dinner genannt wird, der afternoon tea so zwischen 3 und 4 Uhr eingenommen wird, und das Abendessen supper oder dinner heißt . Zweiteres meint in der Regel ein aufwändigeres Mahl . Wenn Sie zum dinner at eight, „Abendessen um acht Uhr“, eingeladen werden (und diese Einladung nach dem Lesen dieses Kapitels noch annehmen wollen), sei Ihnen geraten: Nehmen Sie vorsichtshalber einen Laib Brot in der Handtasche mit. „Um 8 Uhr“ heißt nicht, dass es um 8 Uhr Essen gibt, sondern nur, dass der Gastgeber um etwa 8 Uhr mit dem Kochen beginnt und Sie frühestens um 11 Uhr (mittlerweile komplett von diversen Aperitifs bedüdelt) mit dem Essen anfangen werden. Der Sinn des Dinners ist nämlich nicht das Essen, sondern das Alkohol-Trinken. Doch das ist ein anderes Kapitel.
Ein Getränk, das aus Sicht der Engländer einfach zu jeder Zeit und in jeder Lebenslage perfekt ist, ist eine gute Tasse Tee, oder wie die Engländer sagen: a cuppa , was die Abkürzung für a cup of tea ist. Es gibt in England natürlich mitnichten nur den oben erwähnten afternoon tea , sondern Tee zum Aufwachen, Tee zum Frühstück, Tee zur Frühstückspause, Tee zum Mittagessen, Tee nach dem Mittagessen, Tee zum Tee, Tee zum Abendessen, Tee zum Einschlafen und natürlich Tee für zwischendrin. Als Engländer trinkt man Tee, wenn einem kalt ist, wenn einem warm ist, wenn man müde ist, wenn man wach ist, wenn man gut drauf ist, wenn man schlecht drauf ist, wenn man so lala drauf ist, wenn man sich trifft, wenn man sich trennt, wenn man ausgeht, wenn man aus ist, wenn man wiederkommt, wenn man gerade eben erst einen Tee hatte. Selbst wenn die Welt unterginge – eine schnelle Tasse Tee ist immer noch drin. Als der damalige Premierminister Chamberlain 1939 den Krieg mit Deutschland ankündigte, tranken die Generäle und Soldaten zunächst erstmal eine schöne Tasse Tee. Und als jüngst Krawalle auf Englands Straßen tobten, gründeten Krawallgegner schwuppdiwupp die Gruppe Operation Cup of Tea , die Mitbürger aufforderte: „Bleibt drinnen und trinkt Tee!“ Schon am ersten Tag posteten mehr als 100.000 solidarische Engländer Profilfotos von sich mit einer Tasse Tee in der Hand. Was ich mit diesen Beispielen andeuten will: Tee ist in England auch in den Zeiten von Starbucks und Konsorten eine sehr, sehr elementare Angelegenheit. Sie sollten daher auch als traditioneller deutscher Kaffeeliebhaber niemals eine Tasse Tee ausschlagen, wenn Sie nicht umgehend als unzivilisierter deutscher squarehead , sprich: „Quadratkopf“, dastehen wollen.
Aber wie macht man proper english tea? Natürlich gibt es in England einmal die farblose und geschmacklose Plörre, die unter dem Namen builder’s tea – „Maurertee“ – bekannt ist. Diese heißt im Volksmund so, weil sie besonders bei der working class beliebt ist. Um builder’s tea zu machen, muss man lediglich einen Teebeutel 5 Sekunden in kochendes Wasser tauchen, dann ordentlich Milch und etwa 10 Teelöffel Zucker dazugeben oder eben so viel, bis der Löffel von alleine im Glas steht. Fertig! Für das, was die middle class und upper class unter richtigem Tee verstehen, muss man: 1) Teewasser in einem Kessel kochen. Niemals – ich wiederhole: niemals! – in der Mikrowelle. 2) Um die Teekanne aufzuwärmen, ein bisschen heißes Wasser in die Kanne schütten. 3) Die Teekanne leeren und fünf Teelöffel losen Earl Grey hineintun. Einen für die Teekanne, einen für Sie, einen für die Queen (Gott beschütze sie), einen für bonnie Prince Charlie , „den hübschen Prince Charles“, einen für all die armen Engländer in Übersee – an dieser Stelle ein besonderes cheers
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