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Titel: Quellcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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was den Sims ein wenig albern aussehen ließ. Perfekt.
    Beim Zusammenlegen ihrer Klamotten stieß sie auf ihren Reisepass und steckte ihn in die Barneys-Tüte.
    Sie zog eine dunkle Baumwolljacke über. Dann ging sie mit ihrer Handtasche hinunter in die Küche, klappte ihr PowerBook zu und schrieb Odile auf der Rückseite eines Visakartenbelegs eine kurze Nachricht, die sie auf der Theke hinterließ: »Bin noch kurz unterwegs. Hollis.«
    Der Phaeton stand noch da, wo sie ihn abgestellt hatte. Sie befolgte Ollies Ratschlag und prägte sich anhand der Stellplatzmarkierung noch einmal ein, wie breit er war. Mit Hilfe des Stadtplans im Handschuhfach verschaffte sie sich eine gewisse Orientierung, achtete darauf, das GPS-Gerät nicht zu aktivieren (es redete sogar, wenn man es ließ) und fuhr hinaus ins Sonnenlicht des späten Nachmittags. Sie war sich relativ sicher, dass sie Bobbys Loft finden würde, aber völlig unsicher, was sie dort tun sollte.
    Dem Stadtplan nach zu schließen, wohnte er gar nicht weit weg.Feierabendverkehr. Nachdem sie ein paar Mal abgebogen war, gelangte sie auf eine Hauptstraße quer durch die Stadt und reihte sich in den Verkehrsfluss ein, soweit man von Fluss sprechen konnte. Während sie sich langsam Richtung Osten bewegte, inmitten von Pendlern, die vermutlich auf dem Weg in die Trabantenstädte im Osten von Vancouver waren, wurde ihr klar, dass Bobbys Loft wohl doch nicht so nah war, zumindest nicht in soziogeographischer Hinsicht. Bigends Eigentumswohnung, oben auf einem Hochhaus in einem Wall aus Glasklötzen in unterschiedlichen Grünschattierungen, im Stadtteil False Creek, wie ihre Karte sagte, war edelstes 21. Jahrhundert. Im Moment fuhr sie dagegen durch die letzten Überreste eines Industriegebiets von der Art, wie sie oft entlang von Bahnstrecken entstanden waren, zu einer Zeit, als es Grund und Boden noch im Überfluss gab. Nicht wesentlich anders als in der Gegend rund um Bobbys Loft an der Romaine entstanden allerdings hier und dort auffällige Gebäude, die von der Infrastruktur einer Metropole zeugten.
    Als sie endlich links abbog, auf eine breite, in Nord-Süd-Richtung verlaufende Straße namens Clark Drive, hatte sie die neuen architektonischen Schmuckstücke hinter sich gelassen und befand sich inmitten anspruchsloserer Gebäude, die meisten davon holzverkleidet. Kleine Autowerkstätten, die zu keiner Kette gehörten. Kleine Firmen für Gaststättenmöbel. Restaurie-rung von Chromstühlen. Vermutlich am Ende dieser breiten Straße war vor der Bergkulisse im Hintergrund ein wahrhaft abgefahrenes Projekt des sowjetischen Konstruktivismus errichtet worden, vielleicht als späte Ehrung eines Gestalters, der auf Nimmerwiedersehen in den Gulag verschwunden war. Verrückte Riesenarme aus orange angemaltem Stahl reckten sich in jedem erdenklichen Winkel in alle Richtungen.
    Was zum Teufel war das bloß?
    Wahrscheinlich Bigends Hafen. Und Bobby direkt daneben.
    Sie bog rechts ein und sah das Schild von Bobbys Straße.
    Sie hatte Bigend angelogen, und jetzt wurde ihr bewusst, wie sehr ihr das gegen den Strich ging. Sie hatte ihm gesagt, sie würde nur so lange mit ihm zusammenarbeiten, wie er ihr keine Informationen vorenthielt oder sie anlog, und jetzt hatte sie genau das mit ihm gemacht. Ihr war nicht wohl dabei. Die Parallele war ein bisschen zu offensichtlich. Sie seufzte.
    Sie fuhr bis zum Ende des Häuserblocks, bog noch einmal rechts ab und parkte dann hinter einem rostigen Müllcontainer, auf den in verlaufenem Schwarz EAST VAN HALEN gesprüht war.
    Sie kramte ihr Handy und Bigends Scrambler aus ihrer Handtasche, seufzte und rief ihn an.
    Er war augenblicklich dran. »Ja?«
    »Odile hat seine Schwester ausfindig gemacht.«
    »Sehr gut. Hervorragend. Und?«
    »Ich bin in der Nähe eines Lofts, den er hier hat. Seine Schwester hat uns die Adresse gegeben. Sie meinte, dass er hier sein wird.« Sie brauchte ihm nicht auf die Nase zu binden, dass sie das bereits bei ihrem letzten Gespräch gewusst hatte. Jetzt waren sie wieder quitt.
    »Ist das der Grund, weshalb Sie einen Block östlich des Clark Drive sind?«, fragte er.
    »Scheiße«, sagte Hollis.
    »Das Display zeigt mir nur Hauptstraßen an«, meinte er entschuldigend.
    »Das Auto sagt Ihnen genau, wo ich bin!«
    »Es ist eine serienmäßig eingebaute Option«, erwiderte er. »Eine Menge Phaetons gehen als Firmenwagen in den Nahen Osten. Da ist diese Sicherheitsfunktion Standard. Warum hat sie Ihnen eigentlich die Adresse

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