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Titel: Quellcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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dem Terroranschlag.
    »Sie wissen nicht, wer du bist«, beschwichtigte ihn der Alte. »Sie wissen nicht, wer wir sind. Und dabei wird es auch bleiben.«
    Tito hörte, wie Garreth zusammen mit einer weiteren Person die Treppe heraufkam. Eine Frau tauchte oben am Treppenabsatz vor Garreth auf. In Jeans und dunkler Jacke.
    »Was will die denn hier?« Bobby schüttelte sich die Haare aus den schreckgeweiteten Augen. »Was soll das?«
    »Ja«, sagte der Alte ausdruckslos. »Garreth, was soll das?«
    »Ich heiße Hollis Henry«, sagte die Frau. »Ich kenne Bobby aus Los Angeles.«
    »Sie war draußen in der Zufahrt«, sagte Garreth, der einen langen, grauen Koffer mit einem Tragegriff in der Hand hielt.
    »Die hat hier gar nichts zu suchen!« sagte Bobby und es klang, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen.
    »Aber du kennst sie, Bobby?«, fragte der Alte. »Aus Los Angeles?«
    »Das Merkwürdigste ist«, sagte Garreth, »dass ich sie auch kenne. Nicht persönlich, meine ich. Das ist Hollis Henry von The Curfew .«
    Der Alte zog die Augenbrauen hoch. »Sä Körfjuu?«
    »Meine Lieblingsband aus Collegezeiten.« Garreth hob entschuldigend die Schultern, wobei eine jedoch vom Gewicht des langen Koffers unten gehalten wurde.
    »Und du hast sie jetzt gerade auf der Straße hinterm Haus aufgelesen?«
    »Ja«, antwortete Garreth und musste auf einmal grinsen.
    »Und was ist daran so amüsant, Garreth?« fragte der Alte.
    »Dass es wenigstens nicht Morrissey ist«, antwortete Garreth.
    Der Alte runzelte die Stirn und musterte die Frau dann über den Rand seiner Brille hinweg. »Sie wollten also Bobby besuchen?«
    »Ich bin jetzt Journalistin«, antwortete sie. »Ich schreibe für Node .«
    Der Alte seufzte. »Kenne ich leider nicht, bedaure.«
    »Ist ein Magazin aus Belgien. Aber wie ich sehe, habe ich Bobby völlig durcheinander gebracht. Es tut mir leid Bobby. Ich gehe jetzt lieber wieder.«
    »Das halte ich für keine gute Idee«, sagte der Alte.

67. WARDRIVING
    Milgrim saß in einem sehr kleinen Park auf einer von zwei Bänken neben Brown, unter den kahlen Zweigen junger Ahornbäume in einer Reihe. Vor ihnen lagen fünfzehn Meter kurz geschorener Rasen, ein zwei Meter hoher, grüner Maschendrahtzaun, eine niedrige, mit Dorngestrüpp zugewachsene Böschung, ein breites Schotterbett, rostrot verfärbt durch die vier Gleise darin, eine gepflasterte Straße und ein hoher Stapel von diesen Metallcontainern, die er auf dem Schiff im Hafen gesehen hatten. Er sah einem metallicblauen Sattelschlepper auf der Straße hinterher, der einen langen, rostigen grauen Kasten hinter sich herzog, an dem offensichtlich Räder befestigt waren.
    Hinter dem Containerstapel waren Berge. Hinter den Bergen Wolken. Sie machten Milgrim nervös, diese Berge. Sie wirkten nicht echt. Zu groß, zu nah. Die Gipfel schneebedeckt. Wie das Logo am Anfang eines Films.
    Er blickte nach rechts und konzentrierte sich lieber auf einen gigantischen, fast konturlosen Klotz aus Beton, wahrscheinlich fünf Stockwerke hoch und ohne Fenster. Riesige, serifenlose Buchstaben waren zwischen senkrechten Wandbändern auf der Stirnseite in den Beton eingelassen:
BC ICE & COLD STO RAGE LTD
    RAGE. Wut. Er warf einen seitlichen Blick hinüber zu Browns Laptop, auf dessen Bildschirm Satellitenbilder des Hafengebietes auftauchten, heran- und wieder weggezoomt, durch andere ersetzt und dann wieder mit gelben Gitterlinien überlagert wurden.
    Seit der Akquisition von Skinks Glock waren sie mit Wardriving beschäftigt, wie Brown das nannte. Das hieß, dass sie in der Gegend herumfuhren. Milgrim hatte Browns aufgeklapptes Laptop auf dem Schoß, das ihnen jedes drahtlose Netzwerk meldete, das sie durchfuhren. Das Laptop tat das mit einer ausdrucks- und atemlosen, merkwürdig asexuellen Stimme, die Milgrim unheimlich abstoßend fand. Milgrim hatte bisher keine Ahnung gehabt, dass erstaunlich viele Leute solche Netzwerke in ihren Häusern und Wohnungen hatten oder dass sie so weit über die eigentlichen Wohnungen hinausreichten. Manche Netzwerke hießen nach ihren Eigentümern, andere einfach nur »Default« oder »Network«, noch andere trugen Namen wie »Dark-Harvester« oder »Doomsmith«. Milgrim hatte die Aufgabe, ein Fenster auf dem Bildschirm zu überwachen, das anzeigte, ob ein Netzwerk geschützt war oder nicht. War ein Netzwerk nicht geschützt und sandte ein ausreichend starkes Signal aus, fuhr Brown an die Seite und loggte sich mit seinem Computer ins Internet ein.

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