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Leute in Vancouver. Einer davon wird sich mit Ihnen treffen und Sie zur Wohnung bringen.«
»Kann ich ihn sprechen?«
»Tut mir leid«, antwortete Pamela, »er ist gerade in einem Meeting in Sacramento. Er wird Sie anrufen, sobald er kann.«
»Danke«, sagte Hollis.
Sie sah den Helm an, den Bigend ihr geschickt hatte. Sie würde ihn lieber mitnehmen, für den Fall, dass es in Vancouver Locative Art gab. Er sah allerdings nicht so aus, als könnte man ihn gut einchecken, und im Handgepäck würde er auch ein wenig komisch wirken.
Vor dem Packen rief auch sie noch ihre Mutter an, in Puerto Vallarta. Ihre Eltern verbrachten dort jetzt immer den Winter, hatten aber nur noch eine Woche, bis sie zurückfuhren in ihr Heim in Evanston. Sie versuchte zu erklären, was sie in Los Angeles zu tun hatte, war sich aber nicht sicher, ob ihre Mutter es verstand. Sie war noch sehr klar im Kopf, aber immer weniger an Dingen interessiert, die ihr nicht schon vertraut waren. Sie sagte, dass es Hollis' Vater gut ging, bis auf die Tatsache, dass er jetzt in seinen späten Siebzigern unvermittelt ein flam-mendes Interesse für Politik entwickelt hatte. Das gefiel ihrer Mutter nicht, weil es ihn ihrer Meinung nach nur wütend machte. »Er sagt, es liegt daran, dass es noch nie so schlimm war«, meinte ihre Mutter, »aber ich sage ihm, es liegt daran, dass er noch nie zuvor soviel Interesse daran gezeigt hat. Und es ist auch das Internet. Früher mussten die Leute auf die Zeitung warten oder auf die Nachrichten im Fernsehen. Jetzt ist es wie ein laufender Wasserhahn. Er setzt sich zu jeder Tages- und Nachtzeit an dieses Ding und fängt an zu lesen. Ich sage ihm immer, dass er sowieso nichts ändern kann.«
»Aber so hat er etwas zum Nachdenken. Es ist gut für Leute in eurem Alter, Interessen zu haben, weißt du.«
»Du musst dir ja nicht anhören, was er über den Präsidenten denkt.«
»Sag ihm liebe Grüße. Ich melde mich bald wieder. Entweder noch aus Kanada oder wenn ich wieder zurück in L.A. bin.«
»Toronto war es, oder?«
»Vancouver. Alles Liebe, Mama.«
»Dir auch, mein Schatz.«
Sie ging zum Fenster und sah auf den Verkehr auf dem Sunset hinunter. Ihre Eltern waren mit ihrer Gesangskarriere nie richtig einverstanden gewesen. Vor allem ihre Mutter war damit umgegangen, als wäre es eine lästige Krankheit, nichts Tödliches zwar, aber doch etwas, das das Leben ernsthaft beeinträchtigte und einen davon abhielt, einer anständigen Arbeit nachzugehen, und für das es auch keine andere Abhilfe gab, als es einfach vorübergehen zu lassen und das Beste zu hoffen. Ihre Mutter betrachtete offensichtlich jegliches Einkommen aus dem Singen als eine Art Versehrtenrente, die man als Entschädigung dafür bekam, dass man sich mit diesem Leiden arrangierte. Was gar nicht so verschieden von Hollis eigener Einstellung gegenüber Kunst und Geld war, obwohl sie im Gegensatz zu ihrer Mutter wusste, dass man, selbst wenn man dieses Leiden hatte, vielleicht niemals eine Entschädigung dafür bekommen würde. Wenn das Dasein als Sängerin und Texterin, das sie führte, irgendwann zu schwierig geworden wäre, dann hätte sie es einfach aufgegeben, da war sie sich sicher. Und vielleicht war ja auch genau das passiert. Ihr plötzlicher Aufstieg, der Erfolg von The Curfew , war völlig überraschend für sie gekommen. Inchmale gehörte offensichtlich zu den Leuten, die schon von Geburt an wussten, wozu sie bestimmt waren. Deshalb war es für ihn anders gewesen, obwohl es sicher auch für ihn überraschend kam, dass ihr Erfolg so lange anhielt. Keiner von ihnen hatte wirklich wissen wollen, wie ein Abstieg aussah, dachte sie. Nach Jimmys Suchteinstieg als Zäsur, einem blanken, heroinfarbigen Meilenstein, hineingetrieben in das, woraus dieses Erfolgsplateau auch immer bestand, und der daraus folgenden Kreativblockade der Band, waren sie alle dafür gewesen, es sein zu lassen. Sie und Inchmale hatten versucht, mit anderen Dingen weiterzumachen. Wie Heidi-Laura wahrscheinlich auch. Jimmy war einfach gestorben. Inchmale schien am besten damit zurechtgekommen zu sein. Bei Heidi hatte Hollis seit ihrer Begegnung kein so gutes Gefühl mehr. Aber Heidi war schon immer weit schwieriger zu durchschauen gewesen als jeder andere Mensch, dem Hollis jemals begegnet war.
Sie entdeckte, dass die Zimmermädchen die Blisterfolie aus dem Karton von Blue Ant aufgehoben und ordentlich gefaltet hatten. Sie lag in einem Fach im Schrank. Das würde ein
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