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Titel: Quellcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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unwahrscheinlich, dass sie nach Kuba flogen, aber dann erinnerte er sich an Viancas Worte, dass Eusebio wohl in Mexiko City sei, in einem Viertel namens Doctores.
    Er sah den Alten an, dessen Profil er im Schein der Instrumente gerade ausmachen konnte. Er schlief, das Kinn gesenkt. Tito versuchte, sich ihn mit seinem Großvater vorzustellen, in Havanna, vor langer Zeit, als die Revolution und die walähnlichen Autos noch etwas Neues waren, aber es wollte sich kein Bild einstellen.
    Er schloss die Augen wieder und flog durch die Nacht, irgendwo über einem Land, von dem er hoffte, dass es noch Amerika war.

52. SCHULUNIFORM
    Milgrim fand den Hausmeister in der Küche, wie Brown gesagt hatte. Er schwenkte dort das Frühstücksgeschirr unter fließendem Wasser ab, um es in die Spülmaschine zu räumen. Ein kleiner Mann in dunklen Hosen und frisch gestärkter weißer Jacke. Als Milgrim barfuß die Küche betrat, gehüllt in einen zu großen Bademantel aus dickem weinrotem Frottee, sah der Mann auf seine Füße.
    »Er hat gesagt, dass Sie mir die Haare schneiden«, sagte Milgrim.
    »Sitzen«, sagte der Hausmeister. Milgrim setzte sich auf einen Stuhl, der ebenso wie der Tisch aus Ahornholz war, und sah ihm zu, wie er die Maschine fertig einräumte und anschaltete.
    »Könnte ich vielleicht ein paar Eier kriegen?«, fragte Milgrim.
    Der Hausmeister sah ihn an, ohne eine Miene zu verziehen, und holte aus einer schwarzen Tasche auf der weißen Arbeitsfläche einen elektrischen Haarschneider, Kamm und Schere hervor. Dann band er Milgrim ein Tuch um, den Marmeladenflecken nach zu schließen das Frühstückstischtuch, fuhr mit dem Kamm durch sein feuchtes Haar und begann zu schneiden, als hätte er Erfahrung damit. Als er mit der Schere fertig war, fuhrwerkte er im Nacken und seitlich am Hals mit der Haar-schneidemaschine herum. Er trat einen Schritt zurück, betrachtete sein Werk und besserte noch ein wenig nach. Dann klopfte er Milgrim mit einer Serviette ab, so dass die abgeschnittenen Haare von der Tischdecke auf den Boden fielen. Milgrim saß da und wartete auf den obligatorischen Spiegel. Der Mann holte aber nur einen Besen und eine Kehrschaufel mit langem Stiel und kehrte die Haare auf. Milgrim fand, dass die eigenen Haare auf dem Boden immer etwas Trauriges hatten, stand auf, nahm sich das Tischtuch ab, schüttelte es aus und legte es auf den Tisch. Dann wandte er sich zum Gehen.
    »Warte!«, sagte der Hausmeister, noch am Kehren. Als der Boden sauber war, packte er seine Friseursachen wieder in die Tasche und holte ein gelbes Maßband heraus, einen Stift und ein Notizbuch. »Zieh den Mantel aus!«, sagte er. Milgrim tat es, froh darüber, dass er Browns Anweisungen nicht zu wörtlich genommen und seine Unterhose angezogen hatte. Der Hausmeister nahm rasch und geschickt an ihm Maß. »Schuhgröße?«
    »Zweiundvierzig«, sagte Milgrim.
    »Schmal?«
    »Mittel.«
    Der Hausmeister notierte das. »Geh!«, sagte er zu Milgrim und wedelte mit dem Notizbuch, als wollte er ihn verscheuchen. »Geh, geh!«
    Milgrim verließ die Küche und fragte sich, wo Brown war. Er sah in das Arbeitszimmer, wo Brown am Abend zuvor seinen Whiskey getrunken hatte. Es war eingerichtet wie der Rest des Hauses, aber mit mehr dunklem Holz und mehr vertikalen Streifen. Außerdem gab es Bücher. Er ging zur Tür, schaute sich um und ging rasch zu dem Möbel hinüber, das er für einen Bücherschrank gehalten hatte. In Wirklichkeit waren die Schranktüren bedeckt mit den Lederrücken alter Bücher. Er beugte sich vor und musterte die abgezogenen Bücherhäute genauer. Nein, dies war ein einziges Stück Leder, mit dem ein Holzbrett, das die Rücken einzelner Bücher nachbildete, bezogen war. Die sorgfältig ausgeblichenen Goldlettern darauf nannten keine tatsächlichen Titel oder Autorennamen. Es war ein kunstvolles Artefakt, in Massenproduktion hergestellt von Handwerkern eines Volkes in Nachahmung dessen, was die offensichtlich untergehende Kultur eines anderen war. Milgrim öffnete den Schrank. Die Bretter dahinter waren leer. Schnell schloss er ihn wieder.
    In der Eingangshalle betrachtete er das Werk des Hausmeisters prüfend in einem Spiegel mit künstlich aufgebrachten Altersflecken. Ordentlich. Superkonventionell. Der Haarschnitt eines Juristen oder eines Häftlings.
    Er stand auf dem kühlen grauen Marmor, am Fuß des Treppenschachts, schnalzte leise mit der Zunge und stellte sich vor, wie das Geräusch nach oben gesaugt wurde.
    Wo war

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