Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quellcode

Quellcode

Titel: Quellcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
Extra-Trinkgeld geben. Hollis legte die Folie, den Karton und den Helm auf den hohen Kitchenette-Tisch.
    Dabei wurde sie auf die Blue-Ant-Figur aufmerksam, die dabeigewesen war und jetzt auf einem der Couchtische stand. Die würde sie natürlich dalassen. Sie sah noch einmal hin und wusste, dass sie das doch nicht tun konnte. Es gab da einen Teil von ihr, der niemals erwachsen geworden war. Ein Erwachsener würde keine Veranlassung sehen, dieses anthropomorphe Stück aus gegossenem Vinyl beim Verlassen des Hotelzimmers mit sich zu nehmen, aber sie würde es tun. Und dabei mochte sie solche Dinge nicht einmal. Sie nahm die Figur in die Hand. Sie würde sie nicht dalassen, sondern mitnehmen und irgendjemandem geben, vielleicht einem Kind. Weniger, weil sie irendein Gefühl für dieses Ding hegte, das letztendlich nur ein Werbegegenstand aus Plastik war, als vielmehr, weil sie selbst auch nicht in einem Hotelzimmer zurückgelassen werden wollte.
    Aber sie würde die Figur nicht im Handgepäck mitnehmen. Sie wollte nicht, dass die Sicherheitsleute am Flughafen sie vor aller Augen aus dem Karton mit dem Helm zogen. Sie warf sie in die Barneys-Tüte mit ihren Ausgehklamotten.
    Odile war unzufrieden, dass sie in Vancouver nicht in ein Hotel gingen. Sie mochte die Hotels in Nordamerika, sagte sie. Das Mondrian gefiel ihr besser als das Standard. Die Idee, in einer fremden Wohnung untergebracht zu sein, missfiel ihr.
    »Nach dem, was sie mir gesagt haben, muss es etwas Besonderes sein«, sagte Hollis ihr. »Und es wohnt auch niemand ständig darin.«
    Sie saßen im Fond eines Town Cars, das Hollis vom Hotel bestellen und auf ihre Zimmerrechnung buchen hatte lassen. Als sie den Passat zurückbrachte, war der junge Mann, der sie fast erkannte hätte, nicht da gewesen. Sie waren schon kurz vor Los Angeles LAX, dem Flughafen. Durch die getönten Scheiben konnte Hollis diese eigenartigen Ölförderdinger auf einem Hügel erkennen, die sich unablässig auf- und abbewegten. Sie waren schon da gewesen, als sie das erste Mal hierherkam. Soweit sie wusste, hörten sie nie auf sich zu bewegen. Sie sah auf ihrem Handy nach der Uhrzeit. Fast sechs.
    »Ich habe meine Mutter angerufen«, sagte Hollis. »Weil du deine erwähnt hattest.«
    »Wo ist sie, deine Mutter?«
    »Puerto Vallarta. Dahin gehen sie im Winter.«
    »Es geht ihr gut?«
    »Sie jammert wegen meines Vaters. Er ist älter. Ich denke, es geht ihm gut, aber sie meint, er sei besessen von der Politik in Amerika. Sie meint, es mache ihn zu wütend.«
    »Wenn das mein Land wäre, würde ich nicht wütend sein«, sagte Odile und kräuselte die Nase.
    »Nein?«, wunderte sich Hollis.
    »Ich würde die ganze Zeit trinken. Pille nehmen. Irgendwas.«
    »Auch eine Möglichkeit«, sagte Hollis und musste an den toten Jimmy denken. »Aber diesen Gefallen würdest du ihnen doch wahrscheinlich nicht tun wollen, oder?«
    »Wem?«, fragte Odile und setzte sich mit plötzlichem Interesse aufrecht hin. »Wem würde ich gefallen?«

54. ICE
    Tito erwachte, als die Räder der Cessna aufsetzten. Sonnenlicht kam durch die Fenster. Er klammerte sich an den Rücken der Couch. Sie schossen über den Boden, das Röhren der Motoren veränderte sich, das Flugzeug wurde langsamer. Schließlich blieben die Propeller stehen. In der plötzlichen Stille setzte er sich auf, blinzelte hinaus über flache Felder mit Streifen von niedrigem Grün.
    »Für einmal Strecken und Pinkeln reicht die Zeit«, sagte der Pilot und erhob sich von seinem Sitz. Er ging an Tito vorbei durch die Kabine nach hinten, entriegelte die Tür und lehnte sich weit nach draußen, während er sie aufschwang. »Hey, Carl«, rief er grinsend jemandem zu, den Tito nicht sah. »Danke, dass du rausgekommen bist.« Tito sah das obere Ende einer Aluleiter, und der Pilot stieg langsam und vorsichtig hinunter.
    »Geh raus zum Beinevertreten!«, sagte Garreth zu Tito und erhob sich aus seinem Sessel. Tito setzte sich auf und sah zu, wie Garreth die Leiter nach unten stieg. Dann rieb er sich die Augen und stand auf.
    Er stieg hinunter auf die festgetretene Erde einer geraden Straße, die in beiden Richtungen durch die flachen grünen Felder lief. Der Pilot und ein Mann mit einem blauen Overall und einem Cowboyhut aus Stroh rollten einen schwarzen Gummischlauch von einer Rolle hinten an einem kleinen Tankwagen ab. Als Tito sich umdrehte, sah er den Alten die Leiter hinabsteigen.
    Garreth holte eine Flasche Mineralwasser hervor, eine Zahnbürste und

Weitere Kostenlose Bücher