Quellen Der Lust
geht? Mir ist klar, dass Sie eine solche Unterscheidung machen. Doch Sie können sicherlich verstehen, warum ich es nicht kann.“
Was für ein arrogantes Weib. Wie konnte sie es wagen, ihre Ehre mit der des Prinzen auf eine Stufe zu stellen! Doch schon während ihm dieser Gedanke kam, befielen ihn Gewissenbisse. Sie waren nicht mehr im Mittelalter, wo das Recht der ersten Nacht das unumstößliche Privileg der Mächtigen war. Er schüttelte sich. Herrgott noch mal, hier ging es um den Prinzen von Wales, den Thronerben! Sie musste doch einsehen, dass seine Bedürfnisse …
Bei diesem Wort stutzte er. Bedürfnisse? Er musste sich eingestehen, dass es hier mehr um Privilegien ging. Der Prinz hatte keine Bedürfnisse, die nicht schon vor langer Zeit im Überfluss befriedigt worden waren. Nun, dann war er eben dafür zuständig, die Wünsche des Prinzen zu erfüllen – es sollte ihm eine Ehre sein, diese Rolle zu übernehmen. Und es war schließlich nicht so, als ob sie nicht davon profitieren würde.
„Nun gut.“ Sie brach das Schweigen und machte sich eine weitere Notiz. „Sie weigern sich, mir die Vorlieben des Prinzen mitzuteilen, und daher muss ich mich eben nach Ihren richten.“
„Nach meinen?“ Er starrte sie mit offenem Mund an.
„Als sein Repräsentant. Das erscheint mir angebracht. Sie jagen zusammen, bewegen sich in den gleichen Kreisen und bewundern die gleichen eleganten Damen, oder etwa nicht? Daher muss logischerweise alles, was Ihnen gefällt, auch ihm zusagen.“
Ungläubig und sprachlos machte er sich auf das Schlimmste gefasst. Sie wollte ihn an Berties statt aushorchen! Und ihn so dafür bestrafen, dass er es gewagt hatte, ihr in jener verhängnisvollen Nacht einen Kuss zu verweigern. Dass er geschwiegen hatte, als er die Wahrheit hätte sagen sollen. Dass er sie dem Prinzen auslieferte – und ihr eine Verbindung aufzwang, die sie offensichtlich nicht wollte.
Kurz, sie würde ihn für das ganze Ausmaß ihres verletzten Stolzes büßen lassen.
Jack legte seinen Stock beiseite, lehnte sich mit dem Rücken in eine Ecke der Kutsche und streckte die Beine auf dem Sitz neben sich aus. Dann schob er sich den Hut tief ins Gesicht und verschränkte die Arme, um jede weitere Diskussion mit ihr abzublocken.
Doch so leicht gab sie nicht auf.
„Also, Jack St. Lawrence“, sagte sie mit gesenkter Stimme, die ihn wie warme, verführerische Wellen umspielte, „ist es Ihnen in intimen Situationen lieber, wenn eine Frau freizügige Seiden-Dessous trägt oder wenn sie gut verpackt in einem verstärkten Korsett und Handschuhen mit zwanzig Knöpfen vor Ihnen steht?“
Er knirschte mit den Zähnen und schloss die Augen noch fester. Unerträglich provokative Visionen von Brustknospen hinter transparenter Seide und von Brüsten, die über den Rand schwarzer Satin-Fischbeinkorsetts quollen, durchzuckten sein Hirn. Dies war die Bestrafung, die sie ihm auferlegte. Doch die seidene Unterwäsche vor seinem inneren Auge verrutschte … das Korsett wurde geöffnet … der Blick blauer Augen durchbohrte ihn, und nach süßem Wein schmeckende Lippen lockten ihn näher … verführerisch und anklagend zugleich. Was für ein Heuchler er doch war. Sich selbst unter dem Vorwand seiner Pflicht gegenüber dem Prinzen zu verleugnen. Sie zu verleugnen im Namen seiner verdammten …
Knurrend setzte er sich auf, knallte seinen Hut auf den Sitz und hatte im Handumdrehen ihren Sitz erreicht und sie an den Schultern gepackt. Er zog sie zu sich heran und erstickte ihren erschrockenen Aufschrei mit einem leidenschaftlichen Kuss, der nach und nach in eine behutsame Erkundung überging und Ewigkeiten zu dauern schien. Bis ihr Widerstand schmolz und sein klarer Verstand und seine Selbstbeherrschung nur noch winzige Sandkörner im heißen Strudel seiner Begierde waren.
Irgendwann inmitten dieses Gefühlswirbels sank er zwischen den Sitzen auf ein Knie und drückte sie fest an sich. Ihre Beine waren zwischen dem Sitz und seinem Körper gefangen. Sie erwiderte den Kuss mit einer Leidenschaft, die der seinen in nichts nachstand, und ihre Lippen waren so süß, wie er sie in Erinnerung hatte. Zuerst tastete sie sich mit ihrer geschmeidigen Zunge nur zaghaft an ihn heran, doch dann wurde sie sicherer und fordernder, als hätte sie sich daran erinnert, welch verführerische Macht sie dadurch ausüben konnte.
Er hätte nicht erwartet, dass ihre Schultern sich so stark und sehnig anfühlten, und dieser Gedanke feuerte seine Begierde
Weitere Kostenlose Bücher