Quellen Der Lust
dringend eine Frau. Er hat keine Zeit verschwendet. War wie ein Kind mit Weihnachtsbonbons. Hat sie gleich den nächsten Tag geheiratet.“ Mercy warf ihr ein verschmitztes Lächeln zu. „Ein kleines schmächtiges Mädel war sie, unsere Miss Mariah. Hat die ersten Tage kaum den Mund aufbekommen.“
„Das sieht ihr gar nicht ähnlich“, sagte Jack mit einem Seitenblick auf Mariah.
Die Magd kicherte und ignorierte das warnende Räuspern ihrer Herrin.
„Sie kam aus einer vornehmen Familie. Der Gutsherr musste ihr alles beibringen.“
„ Alles ?“ Jack legte beide Hände auf den Knauf seines Stocks und inspizierte Mariah. „Er muss ein geduldiger Mann gewesen sein.“
„Alles über …“
„Mercy, wir werden erst in einigen Stunden in Lincoln sein“, unterbrach sie Mariah bestimmt. „Du solltest dich ausruhen, solange du die Möglichkeit hast.“
Mercy, die nun endlich verstand, dass ihre Herrin sie zum Schweigen bringen wollte, lehnte sich zurück in eine Ecke, seufzte resigniert und schloss die Augen. Kurz darauf setzte ein leises Schnarchen ein, und Mariah atmete auf.
Als sie aufsah, bemerkte sie Jacks Blick.
„Wie alt war – Ihr Mann?“, fragte er.
Sie verfluchte Mercy dafür, dass sie seine Neugier geweckt hatte.
„Älter als ich.“
„Wie viel älter?“ Sein Blick wurde bohrender.
„Ich glaube kaum, dass dies hier und jetzt von Belang ist.“ Sie zog einen kleinen Schreibblock und einen Stift aus ihrem Retikül. „Sagen Sie mir lieber, was die Lieblingsfarbe des Prinzen ist.“
„Sie haben ihn nach nur einem Tag geheiratet? Eine ungewöhnlich kurzes Kennenlernen.“
„Das scheint mein Schicksal zu sein.“ Sie blickte konzentriert auf ihren Block und versuchte, das Thema zu wechseln. „Ich habe mir überlegt, mir einige Kleidungsstücke in der Lieblingsfarbe des Prinzen zuzulegen. Hat er eher eine Vorliebe für Satin oder für Damast?“
„Ihr Vater war also gestorben. Wer hat dann die Heirat arrangiert?“ Er beugte sich vor.
„Ein Richter, der davon überzeugt war, dass ich einen Ehemann brauchte.“
„Brauchte?“ Er zog die Augenbrauen hoch.
„Ich war ganz auf mich alleine gestellt“, sagte sie nüchtern. „Der Richter stellte uns einander vor, und Mr. Eller hielt auf der Stelle um meine Hand an.“
„Wie alt waren Sie?“
„Alt genug.“
Eine Weile blieb er stumm und schien nachzudenken. Sie hasste das Gefühl, von ihm wie eine Weihnachtsgans inspiziert und beurteilt zu werden.
„Und wie lange waren Sie verheiratet?“, fuhr er schließlich fort.
„Es ist ein bisschen spät dafür, Nachforschungen über mich anzustellen, meinen Sie nicht auch?“
„Zehn Jahre? Zwölf?“, bohrte er weiter.
„Über sieben Jahre.“ Lange, ereignisreiche Jahre, die sie erfolgreich aus ihren Gedanken verbannt hatte, einschließlich der Federn, des Öls und allen anderen Zutaten. Bis letzte Woche.
„Und während dieser Zeit hat er Ihnen also einiges beigebracht .“ Er lehnte sich weiter nach vorne und sah sie aus seinen ungewöhnlichen, bernsteinfarbenen Augen an. Er hatte nicht die geringste Absicht, sich einem anderen Thema zuzuwenden. Sie würde ihn am liebsten in die Hölle jagen. Es gab nichts Schlimmeres als einen Mann, der die wunde Stelle einer Frau entdeckt hatte.
„Mein Mann hatte viele Facetten.“ Ihr Gesicht erhellte sich, während sie sich darum bemühte, ihre in langen Jahren aufgebaute Beherrschung nicht zu verlieren. „Und das Gleiche gilt sicherlich für den Prinzen. Ihre Hoheit interessiert sich offensichtlich sehr für Musik. Für was noch?“
Jacks Lächeln ließ sie wünschen, dass sie diese Frage nicht gestellt hätte.
„Für Frauen“, sagte er, ohne sie aus den Augen zu lassen. „Das scheint auch für Ihren Mann gegolten zu haben.“
Seine streitlustige Haltung und sein herausfordernder Gesichtsausdruck hätten sie um ein Haar aus der Fassung gebracht. Doch ihre Wut erlaubte ihr plötzlich, auch seine Schwachstellen zu erkennen. Sie sah sich einem Mann gegenüber, der unter allen Umständen die Kontrolle über jede Situation und über sich selbst behalten wollte. Aus welch anderem Grund war er nach einer durchzechten Nacht mit dem Prinzen als Einziger noch nüchtern?
„Aber natürlich, Mr. St. Lawrence.“ Kontrolle. Sie kannte sich mit Männern aus, die die Kontrolle behalten wollten. Und plötzlich hatte sie ihre kühne, unerschütterliche Seite wiedergefunden, die es ihr ermöglicht hatte, Masons Forderungen nachzukommen, ohne den
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