Quellen Der Lust
der Wahrheit um?“
„Ich sehe es eher als eine kreative Interpretation der Tatsachen an“, erwiderte sie ruhig. „Ich kann wohl schlecht in sein Büro stürmen, Rechenschaft über sein Privatleben verlangen und ihn dann informieren, dass er angewiesen ist, mich zu heiraten.“ Spöttisch lächelnd sah sie ihn an. „Das ist schließlich Ihre Aufgabe.“
Der junge Mann kehrte zurück und bat sie, ihm zu folgen. „Sie haben Glück. Obwohl Mr. Bickering heute Nachmittag einen äußerst wichtigen Termin hat, ist er bereit, Sie kurz zu empfangen.“
Mariah hielt den Atem an, als sie in das Büro ihres potenziellen Ehemannes trat.
Thomas Bickering war ein Mann um die Mitte dreißig, mittelgroß, weder muskulös noch schmächtig, mit braunem, schon ergrauendem Haar. Er wirkte etwas erschöpft und saß hinter einem imposanten Schreibtisch inmitten von Kisten, Kartons und halb eingeräumten Regalen. Er hatte wohl gerade erst sein neues Büro bezogen. Als er aufstand, um sie zu begrüßen, achtete sie auf sein Gesicht, das ihr auf Anhieb sympathisch, wenn auch etwas gewöhnlich erschien, seine klaren und intelligenten Augen und seinen festen Handschlag. Er bat sie freundlich, Platz zu nehmen.
„Nun, Miss Eller …“ Er zupfte etwas verlegen an seinen Manschetten.
„Mrs. Eller, um genau zu sein“, sagte Mariah freundlich. „Ich bin Witwe.“
„Ah.“ Er fischte Papier und einen Federhalter aus dem Chaos, das auf seinem Schreibtisch herrschte. „Ich verstehe. Es handelt sich also um eine zweite Eheschließung. Ich nehme an, es geht um die Absicherung von Besitz?“
„Ich wusste doch, dass der Earl uns an die richtige Person verweisen würde.“ Mariah legte ihre Hand auf Jacks Arm. „Siehst du, wie schnell er die Situation erfasst hat?“
„Und Sie“, er sah auf Jacks Karte, „Mr. St. Lawrence. Waren Sie schon einmal verheiratet?“
„Nein, a-aber …“
„Mr. St. Lawrence hat einen großen Land- und Immobilienbesitz, aber auch Familienmitglieder, denen er gewisse Versprechen gemacht hat“, sprang Mariah ein. „Wir wollten uns daher an einen kompetenten Fachmann wenden, um unsere Lage zu besprechen und professionellen Rat einzuholen.“
„Eine kluge Entscheidung.“ Mr. Bickering lächelte Mariah nun voll Sympathie an. Er hatte ein angenehmes Lächeln und war bei näherer Betrachtung recht attraktiv. Mariah verspürte einen Anflug von Interesse. „Ich wünschte nur, jeder würde eine Hochzeit so vorbereiten. Eine Ehe ist schließlich nicht nur ein freudiger Anlass, sondern auch eine ernste Verantwortung.“
„Ich bin ganz Ihrer Meinung.“ Mariah betrachtete ihr Gegenüber und dachte über seine Worte nach. Ein freudiger Anlass . Vielleicht war dieser Mann es wert, ihn näher kennenzulernen.
„Ich bin Besitzerin eines Gasthauses auf der Straße nach Edinburgh, nördlich von Lincoln, das ich nach meiner Heirat gerne weiterführen würde“, fuhr sie mit einem Seitenblick auf Jack fort. „Aber ich werde wohl auch für längere Perioden abwesend sein.“
„Sie werden sicherlich in das Haus Ihres Gatten ziehen“, sagte Bickering, der sich unter Jacks eisigem Blick sichtlich unwohl fühlte.
„Ja, doch es gibt da gewisse Umstände …“ Wieder legte sie ihre Hand auf Jacks Arm. „Würde es dir etwas ausmachen, uns für einige Minuten alleine zu lassen? Ich möchte eine private Angelegenheit mit Mr. Bickering besprechen.“
„Privat?“ Jack saß nun kerzengerade auf seinem Stuhl. „Alles, was du zu sagen hast, kannst du ihm vor mir anvertrauen.“
„Ich bräuchte Mr. Bickerings Rat in einer delikaten Angelegenheit.“ Sie sah ihn durchdringend an und wartete voll Ungeduld darauf, ihre neuen Möglichkeiten , derer sie sich plötzlich bewusst geworden war, einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Vielleicht, aber auch nur vielleicht, war eine neue Ehe nicht das Schlechteste, was ihr passieren könnte.
„Dann sollte ich erst recht anwesend sein.“ Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse und nahm es ihr sichtlich übel, ein persönliches Tête-à-Tête mit ihrem eventuellen Ehemann zu fordern.
„Ach was, stell dich nicht so an. Es hat nichts mit dir zu tun. Ich möchte lediglich gerne auf Mr. Bickerings Erfahrungsschatz zurückgreifen.“ Sie zog Jack am Arm und schob ihn zur Tür hinaus. Als sie die Tür hinter ihm geschlossen hatte, lehnte sie sich dagegen und sah Thomas Bickering an, der ebenfalls aufgestanden war und sie sichtlich verwirrt anblickte.
Sie lächelte.
„Mr.
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