Quellen Der Lust
schwoll an, als sie von einem prächtigen Strauß zum nächsten ging und sich an dem himmlischen Duft berauschte. Endlich hatte auch der letzte Angestellte das Zimmer wieder verlassen. Sie nahm sich eine Orange, schälte sie und trug sie dann zum Bett hinüber. Dort hielt sie sie unter Jacks Nase, der zwar im Halbschlaf ein Lächeln aufsetzte, aber noch immer die Augen geschlossen hielt. Nach einigem Zureden öffnete er endlich den Mund und biss kleine Stücke ab.
„Köstlich.“ Stöhnend lehnte er sich auf einen Ellbogen und sah sich verblüfft im Zimmer um. „Was ist denn hier passiert?“
„Als ob du das nicht wüsstest“, sagte sie und nahm ihn überschwänglich in die Arme.
„Das ist ja umwerfend!“ Er setzte sich auf und fuhr sich mit den Händen durch die Haare. „Wer ist denn der großzügige Spender?“
„Mich legst du nicht herein“, erklärte sie. „Ich werde dir gebührend Dank zollen, wenn ich erst einmal ausgiebig gebadet und dann etwas gegessen habe. Ich muss mir meine Kräfte einteilen, um …“
Sie wollte ihm gerade eine besonders makellose rote Rose hinüber ans Bett tragen, als sie wie angewurzelt stehen blieb. Jack schien aufrichtig verwirrt zu sein.
„Sie sind nicht von dir?“ Ein ungutes Gefühl überkam sie.
„Ich hätte dich liebend gerne mit einer solch noblen Geste überrascht, Schmetterling. Aber wann hätte ich dafür Zeit haben sollen?“
Sie drehte sich um und sah hinüber zu dem Meer aus Rosen und dem gedeckten Servierwagen. Erst jetzt bemerkte sie den an „Meine allerliebste Mariah“ adressierten Umschlag.
Mit weichen Knien zog sie ihn aus einem der Sträuße heraus und öffnete ihn mit zitternden Fingern. Die Unterschrift der kurzen Nachricht bestätigte ihre schlimmsten Befürchtungen.
„Bertie“, sagte sie, ohne aufzusehen. Sie konnte es nicht ertragen, in diesem Moment in Jacks Gesicht zu blicken. „Sie sind von ihm. Er lädt mich zu einem geselligen Abend mit Glücksspielen und Vergnügungen im Wetherington-Club ein.“
Im Bruchteil einer Sekunde war Jack aus dem Bett gesprungen und griff nach dem Brief.
Er las ihn durch und errötete bis an die Haarspitzen.
„Das ist ein ganz exklusiver Club“, erklärte er mit grimmigem Blick. „Dorthin geht man zum Spielen, zum Trinken und um gewisse halbseidene Damen zu treffen.“
„Was soll ich bloß tun?“ Sie hatte nicht erwartet, dass die ersten Komplikationen schon so bald auftreten würden.
„Was sollen wir tun?“, korrigierte er und nahm sie in die Arme. „Wir sind zu zweit in dieser Ehe, in diesem Leben, vergiss das nicht. Wir werden gemeinsam eine Lösung finden.“
Er küsste sie zärtlich und versprach zurückzukommen, sobald er frische Kleider aus seinem Zimmer geholt habe.
Sie legte den Brief zurück auf den Servierwagen mit den köstlichen Früchten und bemerkte erst dann eine kleine samtene Schatulle. Mit unsicheren Händen hob sie sie auf, öffnete sie und fiel fast in Ohnmacht. Im Morgenlicht funkelte dort eine ovale Diamantbrosche so hell wie die Sonne. Das Schmuckstück musste ein Vermögen wert sein. Sie taumelte zurück, fiel aufs Bett und starrte es entsetzt an.
Ein Geschenk von Bertie an seine Mätresse.
Ein Geschenk, das offensichtlich an gewisse Bedingungen geknüpft war.
Und das der Preis für ihre Tugend war.
Sie ließ ihren Blick über die Rosen und den Champagner wandern und sah dann wieder auf den Diamanten. Ein Bestechungsgeschenk. Und eine nicht sehr subtile Art und Weise, sie daran zu erinnern, dass sie dem Prinzen gehörte und dass er für dieses Vorrecht bezahlt hatte.
Und was bedeutete es, dass er ihr diese Geschenke geschickt hatte, nachdem sie ihm vorgeschlagen hatte, Jack zu heiraten? Dass er die Heirat mit Jack tolerieren und sie dennoch als Mätresse beanspruchen würde? War es möglich, dass er eine so geringe Meinung von Jacks Ehrgefühl und von ihren eigenen moralischen Standards hatte? Es würde Jack tief treffen, wenn er wüsste, dass Bertie ihm dies antun wollte. Sie schloss die Schatulle, trug sie hinüber ins Badezimmer und versteckte sie dort in einem Stapel Handtücher.
Einen Augenblick darauf hörte sie, wie die Tür wieder geöffnet wurde, und als sie aus dem Badezimmer kam, sah sie Jack, der einen nun vertrauten Umschlag aus schwerem Papier und eine handgeschriebene Einladung in der Hand hielt.
„Ich habe auch eine bekommen“, sagte er. „Zur gleichen Zeit, am gleichen Ort.“
„Es bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als
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