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Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Titel: Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Calsow
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Brunner war sogar in das Amt für Militärforschung nach Freiburg gereist. Doch ohne Erfolg. Vor einem Jahr hatte der Alte von Tagebüchern geredet. Aber niemand hatte etwas gefunden. Seine Frau hatte den ganzen Dachboden durchsucht. Es war wohl eine Spinnerei gewesen, entstanden in irgendeiner Ecke des dementen Hirns des Alten. Schon immer hatte ein Geheimnis über ihm gelegen. Seine Großmutter hatte den Elektroladen, so gut es ging, in den Jahren des Krieges geführt. Dann soll der Großvater einige Wochen nach dem Zusammenbruch vor der Tür gestanden haben. So hatte es die Großmutter erzählt. Nicht erzählt hatte sie, dass sie 1945 eine Anzeige geschaltet hatte. Elektromeister gesucht, spätere Heirat nicht ausgeschlossen. Und dann war er aufgetaucht, der Mann, der jetzt röchelnd vor Josef Schlickenrieder lag. Nie hatte er von seinen Kindern verlangt, ihn Vater zu nennen. Auch seine Enkel nannten ihn bei seinem Vornamen: Anton. Er war klüger, schneller und geschäftstüchtiger als alle anderen im Tal. Und so hatte er die Grundstücke gekauft, von den Bauern oder deren Frauen, die als Kriegerwitwen nicht wussten, wie sie die brachliegenden Wiesen bestellen sollten. Jeder hatte gelacht. Wer hatte damals geglaubt, dass jemals wieder ein Mensch Urlaub machen wollte. Warte, bis die Preise steigen. Dann verkaufe. Aber nur, wenn es nötig ist. Grund ist Gold, Geld ist Dreck. Das waren seine Worte gewesen. In diesem Glauben wurde Josef Schlickenrieder erzogen. Aber dann hatten sie nach Rechnungen und Kaufverträgen gesucht. Und die Summen, die dort angegeben waren, konnten niemals von ihm bezahlt worden sein. Je mehr sie recherchierten, desto undurchsichtiger wurde das Ganze.
    Wer war der alte Mann da vor ihm? Der Mann, dessen Grundstücke er jetzt so dringend brauchte, um die Klinik zu bauen, die er, Brunner und Stangassinger sich erträumten. Nie mehr auf zugigen Baustellen herumstehen, nie mehr am Samstagmorgen zur Kundschaft fahren und das Bargeld mit Kopfnicken annehmen. Nie mehr Handwerker. Ab sofort Hotelier. Sie hatten gekämpft. Gegen Naturfreunde und das Gesindel, das aus der Stadt hierhergekommen war und keine Veränderung wünschte, sondern nur Ruhe im Tal bis zum eigenen Tod. Er aber war jung, wollte noch das große Rad drehen. Es stand ihm zu.
    Josef Schlickenrieder sah den alten Mann an, der seine Augen geöffnet hatte. Sag es, sag es. Die alte Zunge streckte sich aber nur langsam über die Lippen. Dann schlief er wieder ein. Sie mussten herausbekommen, wie der Alte damals das viele Geld für den Kauf der Häuser aufgetrieben hatte, bevor die Schnüffler aus München dahinterkamen.
    Unten wartete Brunner. Der Alte begann zu brabbeln. Schlickenrieder beugte sich nach vorn. Der Alte hatte seine Zähne nicht im Mund. Sie schwammen in einem Glas auf dem Nachttisch neben ihm. Ohne zu zögern, griff Schlickenrieder in das Wasser, steckte dem Alten angewidert das Gebiss in den Mund und sah ihn auffordernd an.
    »Red, Anton, woher hattest du das Geld? Und was ist mit dem Toten?«
    Ganz nah hatte er sein Ohr am Mund des Alten. Aber statt Worten quoll ein feuchter Hustenanfall an sein Ohr. Das Gerät neben dem Bett piepte. Jetzt hätte er seinem Großvater am liebsten das Kissen auf sein Gesicht gedrückt. Er stand auf. Sah hinaus auf den Parkplatz, wo der dunkle BMW von Brunner stand. Seine Frau kam herein. Sein Gesicht musste noch von Hass verzerrt sein. Sie erschrak.
    »Ich kann das nicht mehr«, sagte er leise.
    »Ich etwa?«, antwortete sie in einem vorwurfsvollen Ton.
    »Ich muss mit dem Brunner noch nach Salzburg. Vielleicht bleiben wir über Nacht da.«
    Sie verdrehte vielsagend die Augen. Denn sie wusste, dass er, wenn er ›Salzburg‹ sagte, ›Puff‹ meinte. Vor einem Jahr hatte er sie mit einem Tripper angesteckt, der nur mit einem starken Antibiotikum beseitigt worden war. Es war nicht das Jucken gewesen, das Brennen, das peinliche Geständnis beim Frauenarzt, der ihr schon die erste Pille verschrieben hatte. Es war der Schmutz, der sich in ihr über all die Jahre aufgestaut hatte.
    Still hatte sie es über sich ergehen lassen, wenn er mit seinen Freunden aus der Stangerlbar heimgekommen war. Wenn er mit einer Fahne ins Schlafzimmer geschlichen war, nicht einmal seine Zähne geputzt hatte, aber die Bettdecke beiseite gehoben, seine dreckigen, nach Zigaretten und Bier riechenden Finger in sie geschoben und dann grunzend nach wenigen Minuten seinen Samen hineingespritzt hatte. Wenn er dann

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