Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Titel: Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Calsow
Vom Netzwerk:
Abrechnungen für meinen Sohn gemacht habe, da.« Sie zeigte zum Nebenzimmer und Quercher sah höflich hinüber. »Er schrie, als ich ihm die Rechnung geben wollte. Dann hob er sogar die Hand, hatte den Brieföffner in der Hand. So, wissen Sie, so.«
    Sie hielt ihre schorfige und grindige Hand an Querchers Kehle. Der wich, erstaunt über so viel Energie, zurück.
    »Aber mein Mann kam herein, hielt ihn fest und warf ihn raus. Der alte Schlickenrieder ist das Böse, verstehen Sie, Herr Quercher. Das Böse. Wie sein Enkel. Der weiß alles. Und ganz durch den Wind ist der Alte nicht. Das hat mir die Elli schon erzählt. Der hat seine lichten Momente. Aber wenn diese ganzen Geschichten rauskommen, dann fliegt hier alles in die Luft. Der Schlickenrieder, dieser Drecksack. Hoffentlich verreckt er in seinem Heim.«
    Die Wut ließ sie erröten. Das Blut pulsierte durch ihre sowieso schon gereizte Haut.
    »Was meinen Sie genau, Frau Birmoser?«, fragte Quercher vorsichtig.
    Ihr Zorn erlosch von einer Sekunde auf die andere. Christl Birmoser sah ihn nur ausdruckslos an. »Ich bin nicht der Polizist. Das sind Sie.«
    Quercher erhob sich und fragte nach der Toilette, um ihr die Zeit zu geben, sich heimlich zu kratzen. Und kaum war er um die Ecke gegangen, um die schwere, selbst geschreinerte Tür mit dem geschnitzten Jungen, der in einen Pott pinkelte, zu öffnen, hörte er das Schaben aus dem Zirbelzimmer.
    Er wusch sich gerade die Hände, als er die Haustürklingel vernahm. Jemand wurde hereingebeten. Quercher öffnete die Toilettentür und wäre fast mit Straßberger zusammengestoßen.
    »Grüß Gott, Max. Was machst du denn hier? Du läufst mir ja überall über den Weg.«
    Quercher war völlig überrumpelt, sah für einen Augenblick das angsterfüllte Gesicht von Christl Birmoser und entschied sich für eine Notlüge, in der Hoffnung, dass die alte Dame das mitmachen würde.
    »Ich habe mein Beileid bekundet. Ich kenne ja Frau Birmoser von ganz früher.«
    Straßberger sah ihn zweifelnd an. Dann wandte er sich an die Birmoserin. »Und, Christl? War der Pfarrer schon bei dir? Ich habe ihm schon heute Morgen Bescheid gegeben.«
    Sie schüttelte stumm den Kopf.
    Wenig später stand Quercher mit Straßberger vor dem Polizeiwagen.
    »Wir haben viel Ärger. Wenn es heute noch so weiterschneit, werden die Straßen komplett dicht sein. Derzeit halten wir wenigstens die Zufahrt in Gmund und Kaltenbrunn frei. Kreuth und Ostin sind schon dicht, ganz zu schweigen von der Valepp. Wenn es so weitergeht, ist Weihnachten hier für jeden Arbeitseinsatz angesagt. Auch für dich.« Straßberger grinste.
    »Da bin ich schon weg«, antwortete Quercher.
    Straßberger lehnte sich an seinen Wagen und legte eine Hand auf Querchers Schulter. »Das ist mein Ort. Ich bin hier seit dreißig Jahren als Polizist tätig. Ich bin hier geboren. Ich habe dich kennengelernt, als ich euch in der Schule Verkehrserziehung gegeben habe. Du wolltest immer mit dem Blaulicht fahren. Hast mir Löcher in den Bauch gefragt. Du bist, auch wenn du diesen Fall da in Düsseldorf hattest, immer noch einer von uns. Ändere das nicht. Zwei Tote in einer Woche reichen erst einmal.«
    Er wartete Querchers Antwort nicht ab, sondern stieg in sein Auto und fuhr langsam vom Hof der Birmoserin.

Kapitel 11
    Kreuth, Dienstag, 19.   12., 15.55   Uhr
    Josef Schlickenrieder würde nie so sterben wollen. Er schickte seine Frau hinaus auf den Flur, wollte mit ihm allein sein. Der alte Mann lag in seinem Bett, röchelte und sabberte. Es war eine Frage der Zeit, bis das Wasser, das sich in seiner Lunge sammelte, das er mühevoll abhustete und das sich dennoch immer wieder bildete, seinen Tod bedeuten würde. Obwohl Kilometer vom See entfernt, würde dieser Mann im wahrsten Sinne des Wortes an seiner eigenen Flüssigkeit ertrinken – in diesem Altenheim am Fuße des Wallbergs.
    Wenn er genug Schlaf gefunden hatte, wachte er auf und war hell und bei mehr oder weniger Verstand. Wenn – nur das war das Ungewisse. Vierundneunzig Jahre alt war dieser Mann geworden. Fast ein ganzes Jahrhundert verbarg sich in diesem zu einem Totenkopf geschrumpften Gesicht. Was hatte dieser Mann gesehen? Was wusste er? Wochenlang hatten sie alles studiert, hatten jede Kleinigkeit prüfen lassen, und am Ende waren sie genauso schlau wie vorher. Waren diese Grundstücke rechtmäßig erworben worden? Schlickenrieder hatte mit Stangassinger und Brunner Untersuchungen angestellt bis weit in die alte Zeit hinein.

Weitere Kostenlose Bücher