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Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Titel: Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Calsow
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Sparkasse möglich, die Grundschuld, die auf eurem Haus liegt, zu veräußern. Sie werden es versteigern lassen. Und rate, wer den Zuschlag bekommt? Euer Haus gehört bald Alfred Brunner.«
    Wut ergriff Quercher. Das also hatte Brunner mit seiner Drohung gemeint! Und er hatte nicht geschaltet. Unwillkürlich ballte er seine Fäuste.
    Heilingbrunner sah ihn traurig an. »Ausgerechnet der Brunner. Der Junge richtet mit seinem Sol -Projekt schon genug Schaden an.«
    Quercher versuchte, sich zu beherrschen und auf den eigentlichen Zweck seines Besuchs zu kommen. »Genau darüber wüsste ich gerne mehr. Was ist das, das Sol -Projekt? Sie wollen hier in Wiessee alles schöner und besser machen, okay. Aber was und wer steckt dahinter? Was ist Ihre Einschätzung?«
    Der alte Mann erhob sich, schlurfte zu seinem Schreibtisch, nahm eine Landkarte in die Hand und breitete sie auf dem Wohnzimmertisch aus. In der Mitte war der See zu erkennen, um ihn herum waren die Gemeinden in verschiedenen Farben eingezeichnet.
    »Das ist der Tegernsee. Nur in einem eng begrenzten Feld um den See herum kann man bauen. Dahinter sind, wie du weißt, Waldflächen und die Berge. Im Norden, Richtung München, ist es nicht mehr attraktiv. Die Menschen wollen am See wohnen, nicht in der Nähe des Sees.« Sein Finger strich über die Karte. »Rot markierte Stellen zeigen die teuersten Gebiete an. Wie hier im Osten, in Rottach-Egern, da ist die Lage sehr gut, die Grundstücksflächen sind knapp und die Nachfrage ist groß. Rottach ist die fette Katze. Wiessee nicht. Hier lebten noch 1920 nur fünfhundert Einwohner. Erst mit dem Tourismus boomte der Ort. Die meisten Familien sind erst nach dem Krieg gekommen. Und haben gebaut. Jetzt hoffen viele, dass sie ihre Immobilie an doofe Zugereiste verkaufen können.«
    Der alte Mann beschrieb mit wenigen Worten das Dilemma des Ortes. Wiessee bot Grund zu halbwegs erschwinglichen Preisen – noch. Das hatte sicher auch mit der katastrophalen innerörtlichen Bebauung zu tun, die irgendwo in den Neunzigerjahren stehen geblieben war. Scheußliche Bronzeplastiken von Semikünstlern standen ohne Sinn und Konzept einfach herum, umgeben von diversen Krimskramsläden. Der kulinarische Höhepunkt des Ortes, so Spötter, war der Dönerladen eines freundlichen Kurden.
    »Aber wenn Kurkliniken, Rehazentren und Hotels errichtet werden, steigen sie«, fuhr Heilingbrunner fort. »Dann können all die Pensionsbesitzer ihre baufälligen Schuppen verkaufen, sich zur Ruhe setzen und dumm schwätzen.« Er tippte ärgerlich mit den Fingern auf die Landkarte und fuhr fort. »Aber vor allem können Alfred Brunner, der Schlickenrieder Josef und mein Nachfolger Stangassinger, die hier in Wiessee allein fünfundzwanzig Grundstücke besitzen, profitieren. Schlickenrieders Grundstücke gehören noch seinem Großvater, aber der liegt im Sterben. Das Sol -Projekt ist für so einen kleinen Ort geradezu gigantisch. Das Volumen des Projekts beträgt nach meinen Recherchen über hundert Millionen Euro. Damit wollen sie an der Seeseite alles aufkaufen, abreißen und neu bauen. Hinzu kommen weitere Neubauten und Umbauten im Ortskern. Binnen weniger Jahre wird dieser Ort nicht mehr wiederzuerkennen sein. Alles auf Gesundheit auszurichten, den Ort bis zur Halskrause zu verschulden, war meiner Meinung nach die falsche Entscheidung. Was, wenn das Projekt scheitert, die Schulden bleiben, die gemeindeeigenen Grundstücke veräußert wurden, um die Zinsen zu tilgen? Aber der Gemeinderat und auch die Mehrheit der Bürger haben bei einem Volksentscheid vor ein paar Tagen für dieses Projekt gestimmt. Scheinbar jeder wird profitieren. Die Handwerker im Dorf, die auf Aufträge an den Baustellen hoffen, die Gastronomen, die auf Gäste hoffen, und letztlich die Besitzer der Grundstücke, die ihre Pensionen und geerbten Häuser angeblich für das Doppelte des Wertes verkaufen können. Schöne, neue Welt.« Der Altbürgermeister hatte sich in Rage geredet.
    Quercher war das noch zu allgemein. »Wer finanziert das Sol -Projekt? Über hundert Millionen Euro? Ein dreistelliger Millionenbetrag – da muss jemand einen langen Atem haben. Wer kann das sein?«
    Heilingbrunner kramte mehrere Seiten aus einem Ordner heraus. »Es sind drei Faktoren: Im nächsten Jahr wählt man in Bayern. Als Wahlgeschenk garantieren die Parteifreunde des Bürgermeisters, offiziell die bayerische Staatsregierung, zwanzig Prozent Zuschuss aus dem neuen Gebietsentwicklungsplan. Zweitens

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