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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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wiederzubeleben, soll eins ihrer bevorzugten Opfer gewesen sein.«
    Seine Formulierung ließ Verhoeven aufhorchen. »Was meinst du mit angeblich? Gibt es denn irgendwelche berechtigten Zweifel an der Version, die diese …?«
    »Miranda Kerr.«
    »… die diese Miranda Kerr erzählt?«
    »Ach, eigentlich wohl nicht«, entgegnete Werneuchen ungewohnt vage, indem er, wie um sich abzusichern, eine Kopie des vorläufigen Obduktionsberichts zur Hand nahm. »Angela Lukosch wurde zweifelsfrei durch zwei Schüsse aus der Glock unseres Hintermannes getötet. Der erste ging in den Oberbauch, der zweite direkt in den Kopf.«
    »Klingt, als wollte unser Mann auf Nummer sicher gehen«, brummte Winnie Heller und goss sich Kaffee nach. Dann kramte sie ihre eigenen Kopien der Obduktionsberichte aus der Akte und verglich die Befunde. Karla Oppendorf war durch zwei Bauchschüsse getötet worden. Beate Soltau hingegen durch einen einzigen Schuss in den Kopf. Ebenso wie Lukas Wertheim.
    »Miranda Kerr sprach übrigens ausdrücklich von zwei Salven, die sie gehört hat«, ergänzte Stefan Werneuchen mitten in die nachdenkliche Stille hinein, die sich unter seinen Kollegen ausgebreitet hatte. »Unmittelbar vor Beginn der ersten Salve habe Angela Lukosch am Waschbecken gestanden. Selbiges befindet sich im Vorraum der Toilette. Die Tür zum Flur stand offen. Ob Angela jedoch bereits von den ersten Schüssen oder erst später getroffen wurde, konnte Miranda Kerr nicht sagen, weil sie sich zum fraglichen Zeitpunkt im rückwärtigen Teil der Toilette befand, dort, wo die Kabinen sind.«
    »Wieso gehen zwei Mädchen, die sich ums Verrecken nicht ausstehen können, zusammen aufs Klo?«, fragte Winnie Heller mit einem neuerlichen Blick auf Angela Lukoschs blutbefleckte Leiche. »Denn eigentlich hatten sie doch wohl Unterricht, als das Chaos losbrach, oder?«
    Werneuchen nickte. »Beide waren im Mathe-Grundkurs von Helen Malgorias. Ihr wisst schon, der berühmte Raum 304. Warum sie allerdings zusammen auf die Toilette sind, geht aus der Aussage, die die Kollegen aufgenommen haben, leider nicht hervor.«
    Winnie Heller schob die Unterlippe vor. »Interessant.«
    Ihr Vorgesetzter langte über den Tisch und angelte sich das Protokoll von Miranda Kerrs Vernehmung von Stefan Werneuchens Aktenberg. »Du hast von zwei Salven gesprochen, die das Mädchen gehört haben will«, sagte er, während seine Augen suchend über die Seiten glitten.
    »Ja, zwei Salven.«
    »Hat Miranda Kerr auch gesagt, wie viel Zeit zwischen diesen beiden Schussfolgen vergangen ist?«
    Werneuchen schüttelte den Kopf.
    »Aber vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass Angela Lukosch nachweislich von unserem Hintermann getötet wurde, müssen wir wohl davon ausgehen, dass sie erst durch die zweite Salve gestorben ist, also erst, nachdem Hrubesch bereits an ihr vorbeigelaufen war«, schloss Verhoeven, indem er Werneuchen das Protokoll zurückgab. »Und das wiederum passt zu dem Umstand, dass Angela Lukoschs Leiche auf dem Flur gelegen hat. Denn wenn sie bereits durch die ersten Schüsse gestorben wäre, hätte die Leiche im Vorraum der Toilette liegen müssen.«
    »Warum wagt sich jemand auf den Flur hinaus, wenn dort erst kurz zuvor geschossen wurde?«, fragte Winnie Heller in die Runde.
    »Warum bleibt jemand an einem Waschbecken stehen, nachdem draußen gerade der Tod vorbeimarschiert ist?«, zog Bredeney sie auf, doch Winnie Heller begriff die Bemerkung des Kollegen auch als das, was sie war: der Hinweis auf eine weitere Ungereimtheit.
    »Was hat diese Miranda Kerr eigentlich genau getan, als die Schießerei losging?«, fragte sie, an Werneuchen gewandt.
    »Sie hat sich zu Boden geworfen.«
    »Eine überaus naheliegende Reaktion«, bemerkte Verhoeven trocken, und Winnie Heller konnte sehen, dass er dabei einmal mehr an Sven Strohte dachte. An das Versteck, das der blonde Junge, dessen Talent so wenig zeitgemäß wie massentauglich war, auf der Flucht vor seinem Verfolger gewählt hatte. Was glauben Sie, wie viele Schüler dieser Schule auf Anhieb sagen könnten, was sich hinter dieser Tür befindet?, hörte sie die Stimme ihres Vorgesetzten fragen, während der Raum, den sie das »Hausmeisterzimmer« getauft hatte, vor ihrem inneren Auge heraufdämmerte. Ich weiß nicht, ob ich dieses Versteck mit voller Absicht gewählt habe, verteidigte sich ein imaginärer Sven Strohte. Es war mehr so eine Art Instinkt.
    Winnie Heller legte die Hände um ihre Kaffeetasse. Was weiß dieser

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