Querschläger
scheiden ließ, weil ihr Mann sie betrogen hatte. Etwas, das sie nach Aussagen ihrer Bekannten sehr schwer genommen hat.« Er zuckte die Achseln. »Da liegt es ja eigentlich nahe, dass sie keine Lust hatte, diesem Kerl wieder jeden Tag über den Weg zu laufen.«
Stimmt, dachte Winnie Heller, wobei sie einen energischen Kringel um das Wort »Hausmeister« zog, das sie sich notiert hatte.
»Wie bereits erwähnt, hatte Frau Soltau keine direkten Verwandten mehr«, führ ihr Kollege derweil fort. »Nicht einmal die obligatorischen Cousins und Cousinen. Es gibt zwei mehr oder minder enge Freundinnen, zu denen sie regelmäßig Kontakt hatte. Eine davon, eine Frau Herrgen, lebt hier in der Stadt, die andere in Dänemark. Sie hatte auch keine sogenannten Herrenbekanntschaften, zumindest ist mir bislang nichts dergleichen untergekommen. Vor ein paar Jahren soll sie um ein Haar auf einen Heiratsschwindler reingefallen sein, und somit ist ihre Zurückhaltung in Bezug auf das andere Geschlecht wohl mit reinen Vernunftgründen zu erklären. Oder wie meine Mutter es ausdrücken würde: Gebranntes Kind scheut das Feuer. Ansonsten hat die arme Seele mit Begeisterung in Bilder und andere Kunstgegenstände investiert und ab und zu im Casino gespielt.« Er schob seine Aufzeichnungen von sich. »Gesetzt hat sie allerdings immer nur kleine Beträge, die sie vorher genau festgelegt hat. Wenn das Geld alle war, hat sie aufgehört. Und das scheint auch schon das einzige Laster zu sein, das Beate Soltau hatte. Zumindest haben die Kollegen in der Kürze der Zeit nichts anderes finden können«, setzte er einschränkend hinzu.
Eine vorsichtige Frau, notierte Winnie Heller in Gedanken. Vernünftig, schöngeistig und diszipliniert.
Verhoevens Blick klebte derweil wie so oft an den Porträtfotos der Opfer, deren für die Ewigkeit auf Zelluloid gebannte Gesichter über ihnen schwebten wie eine sichtbar gewordene Verpflichtung. »Was ist mit Angela Lukosch?«, fragte er.
»Oh ja, die scheint schon deutlich mehr herzugeben«, entgegnete Werneuchen mit einem zufriedenen Nicken. »Soll alles in allem ein ziemliches Früchtchen gewesen sein. Affären mit Schulkameraden, Discobekanntschaften und mindestens einem Nachbarn. Außerdem hat sie sich auch schon ein- oder zweimal mit einer akuten Alkoholvergiftung in der Klinik wiedergefunden, nachdem sie es am Abend zuvor mit dem Feiern übertrieben hatte.«
Winnie Heller lächelte. Ganz wie sie vermutet hatte!
»Zu ihrem sechzehnten Geburtstag hat sich Angel, wie sie sich von ihren Freunden nennen ließ, übrigens ein paar hübsche Brustimplantate gewünscht und selbige auch bekommen«, ergänzte Werneuchen in bemüht neutralem Tonfall, während Winnie Heller Verhoevens Miene entnahm, was er dachte: Was sind das nur für Väter, die so etwas zulassen? »Daddy ist stinkreich, irgendein ziemlich hohes Tier an der Frankfurter Börse«, fuhr Werneuchen in diesem Augenblick folgerichtig fort. »Die Mutter starb, als Angela acht war. Seither hat der Vater schnell wechselnde Freundinnen, die zumeist nicht viel älter als seine Tochter sind. Die fehlende Zeit und Liebe versuchte er mit Geschenken auszugleichen.«
Geschenke ist gut!, dachte Winnie Heller spöttisch, indem sie sich Angela Lukoschs mehr als unecht wirkende Oberweite auf einem der Tatortfotos in ihrer Akte besah.
Verhoevens Augen hingen dagegen noch immer an ihrem Porträt fest, das ein viel zu stark geschminktes, aber nichtsdestotrotz erstaunlich hübsches Mädchen zeigte. »War sie eigentlich beliebt unter ihren Mitschülern?«
»Gute Frage«, sagte Werneuchen. »Wie es aussieht, gab es eine ganze Reihe von Mädels, die mit Angela Lukosch befreundet sein wollten. Ob du das jetzt auf Angels Charme oder den beheizbaren Pool in der Villa ihres Vaters beziehst, bleibt dir überlassen. Aber nach allem, was man so hört, scheint das Mädchen auch eine ziemlich dunkle Seite gehabt zu haben. Viele unserer Zeugen haben ausgesagt, dass sie sich einen regelrechten Spaß daraus gemacht hat, auf Schwächeren rumzuhacken.«
Während Sven Strohte einer von denen gewesen ist, auf denen herumgehackt wurde, ergänzte Winnie Heller in Gedanken, ohne die geringste Ahnung zu haben, ob ihnen diese Erkenntnis irgendwie weiterhalf. »Haben wir irgendwas Konkretes in dieser Richtung?«
Werneuchen nickte. »Und sogar einen richtigen Knaller, wenn du mich fragst.« Er machte eine seiner wohlbedachten Pausen. »Das Mädchen, das angeblich versucht hat, Angela Lukosch
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