Querschläger
Rechtsanwalt namens Wolters anrufen. Der habe Beate Soltau bei deren Scheidung vertreten und wisse auch hinsichtlich der letztwilligen Verfügungen der Verstorbenen bestens Bescheid.
»Was können Sie uns über Frau Soltaus geschiedenen Mann erzählen?«, fragte Verhoeven gerade folgerichtig, und Nicole Herrgens Antwort bestand aus einem überforderten Kopfschütteln.
»Ach … Also, ich fürchte, nicht allzu viel«, entgegnete sie unglücklich, wobei sie sich im Gegensatz zu Werner Kröll nicht weiter zu wundern schien, dass sich die Kriminalpolizei derart ausführlich für das Privatleben ihrer verstorbenen Freundin interessierte. »Er war ein ziemlicher Zyniker, wissen Sie, immer total verletzend und von oben herab. Und er bildete sich eine Menge auf seinen sogenannten Intellekt ein, aber …« Nicole Herrgen verzog höhnisch den Mund. »Ich meine, wenn man bedenkt, wo dieser Kerl letztendlich gelandet ist, kann man das ja eigentlich nur lächerlich finden, nicht wahr?«
Vielleicht, dachte Winnie Heller. Aber genau hier könnte auch ein Motiv liegen. Ein verkanntes Genie, dem es Spaß macht, andere zu manipulieren. Das würde durchaus zu Devils Persönlichkeit passen.
»Sie haben den Kollegen erzählt, dass Ihre Freundin nicht gerade erfreut gewesen ist, als Kröll die Stelle am Clemens-Brentano-Gymnasium annahm«, bemerkte Verhoeven, indem er Nicole Herrgen fragend anblickte.
»Beate war ein unglaublich treuer und liebevoller Mensch«, antwortete diese, und ein schmerzvolles Lächeln ließ ihre Züge für einen flüchtigen Augenblick weich werden. »Aber sie war auch sehr konsequent. Wenn eine Sache erst einmal vorbei war, dann war es für Beate unwiderruflich aus.«
Genau dasselbe hat Kröll auch gesagt, dachte Winnie Heller, die die Abschrift der Gesprächsaufzeichnung genau studiert hatte. Diese Frau war der nachtragendste Mansch auf dem ganzen Planeten, hatte der Hausmeister gesagt. Eine zweite Chance bei ihr zu kriegen war ungefähr so wahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto … »Wissen Sie zufällig, ob sich Ihre Freundin durch ihren Exmann irgendwann einmal bedroht gefühlt hat?«, wandte sie sich an Nicole Herrgen.
»Nein«, entgegnete diese mit Bestimmtheit. »Das ganz sicher nicht.«
»Aber er hatte doch früher mit psychischen Problemen zu kämpfen, nicht wahr?«
»Mag schon sein«, räumte Nicole Herrgen ein. »Allerdings gingen die, soweit ich weiß, eher in Richtung Depressionen. Also, er war nicht aggressiv oder so. Jedenfalls nicht körperlich. Und außerdem würde Beate es mir erzählt haben, wenn er ihr jemals zu nahe getreten wäre.«
»Hatte Frau Soltau in der letzten Zeit vielleicht sonst irgendwelchen Ärger?«
»Sie meinen, in der Schule?«
»In der Schule oder anderswo«, entgegnete Winnie Heller unverbindlich.
»Ach, Ärger würde ich das eigentlich nicht nennen«, antwortete Beate Soltaus beste Freundin vage. »Eher …« Sie rieb sich unruhig die großzügig beringten Hände, während ihr Blick durch den Raum irrte. »Es war wahrscheinlich einfach eine unangenehme Situation für sie, auch wenn sie nie darüber gesprochen hat.«
Wovon zur Hölle redet diese Frau?, dachte Winnie Heller entnervt, doch ihr Vorgesetzter hatte bereits sein verständnisvollstes Lächeln aus der Schublade geholt und blickte Nicole Herrgen mit ermutigender Freundlichkeit an.
»Könnten Sie uns eventuell ein bisschen mehr darüber verraten?«, fragte er, und Nicole Herrgen, die bis dato ganz und gar unschlüssig gewirkt hatte, nickte.
»Beate hat sich eine Zeit lang sehr gut mit einem der Lehrer verstanden«, sagte sie. »Und sie sind auch ein paarmal zusammen weggegangen, zum Essen oder auf eine Vernissage oder so. Nur … Also, in der letzten Zeit hatte sich die Beziehung ziemlich abgekühlt, und ich hatte den Eindruck, dass es Beate plötzlich unangenehm war, sich überhaupt darauf eingelassen zu haben.«
»Worauf?«
»Oh nein, nicht was Sie denken«, wehrte Nicole Herrgen umgehend ab. »Sander und sie waren einfach gute Freunde.«
»Sander?«
»Sander Laurin.«
Sander Laurin, überlegte Winnie Heller. In welchem Zusammenhang habe ich diesen Namen schon einmal gehört?
»Ich weiß auch nicht genau, wie sich das damals ergeben hat«, fuhr Nicole Herrgen, die das Interesse der beiden Kriminalbeamten zu spüren schien, bereitwillig fort. »Denn eigentlich war Beate ja immer der Meinung, dass man Berufliches und Privates am besten getrennt hält, weil sonst nichts als Ärger dabei
Weitere Kostenlose Bücher