Querschläger
nebenan. »Die Kollegen haben inzwischen etwa fünfundachtzig Prozent der in Raum 304 sichergestellten Projektile ausgewertet«, berichtete er, als er kurz darauf zurückkehrte. »Was davon noch eindeutig zuzuordnen war, stammte samt und sonders aus Hrubeschs getunter Glock.«
»Also können wir nach Karla Oppendorf wohl auch Lukas Wertheim von unserer Liste möglicher Zielpersonen streichen«, befand Winnie Heller und klatschte zufrieden in die Hände. »Das ist doch immerhin schon mal was.«
»Und von der Liste der potenziellen Väter für Angela Lukoschs Baby könnt ihr Mr. Wunderbar auch gleich nehmen«, rief Stefan Werneuchen, der in diesem Augenblick durch die Tür trat und Winnie Hellers letzte Bemerkung aufgeschnappt hatte. »Dr. Gutzkow hat mir die Ergebnisse des DNA-Abgleichs gerade durchgefaxt.«
»Was ist mit Heribert Scherer?«
»Ist ebenfalls aus dem Schneider.« Werneuchen warf einen Blick auf das Fax, das er in der Hand hielt. »Keine Übereinstimmung.«
»Dann bleiben also Steven Höhmann oder der Nachbar oder …«, Winnie Heller stieß einen leisen Seufzer aus, »… oder Sven Strohte oder der große Unbekannte.«
Soooo viel Sex hatte Angel nun auch wieder nicht, protestierte eine imaginäre Mirja Libolski in ihrem Kopf.
»Übernehmt ihr das?«, wandte sie sich wieder an Bredeney.
Oskar Bredeney nickte. »Mit Vergnügen.«
»Gut«, sagte Winnie Heller. »Dann kümmern Verhoeven und ich uns einstweilen um die beiden verbliebenen Kandidatinnen für die Rolle von Devils Zielobjekt.« Sie schlüpfte in ihren Parka und tastete in den Taschen nach ihren Autoschlüsseln. »Beate Soltau oder Angela Lukosch«, murmelte sie. »Die Kunstliebhaberin oder das Flittchen.«
Oskar Bredeney verzog seine dünnen Lippen zu einem ausladenden Grinsen. »Viel Spaß beim Wühlen«, wünschte er fröhlich.
»Danke«, lachte Winnie Heller und nahm ihre Handtasche vom Stuhl.
»Hey, Winnie«, rief Bredeney ihr nach.
Sie blieb stehen. »Was denn noch?«
»Ihr Geld!«
»In Gottes Namen«, stöhnte Winnie Heller zum nunmehr zweiten Mal an diesem Morgen, indem sie ihm den Schein aus der Hand riss und ihn hastig in die Tasche ihres Parkas schob.
Dann rannte sie den Gang hinunter, um den Aufzug zu erwischen, den ein freundlicher Kollege für sie blockierte.
4
»Wer sind Sie? Was tun Sie hier?«
»Bitte!«, kreischte Nicole Herrgen, während aus dem Handy zu ihren Füßen die besorgten Rufe ihres Mannes drangen. »Nehmen Sie die Waffe weg!«
»Zuerst will ich wissen, wer Sie sind.« Sein Gesicht war voller Falten, und er war alles in allem kaum größer als eins siebzig. Trotzdem strahlte er eine zwingende Autorität aus.
»Ich … Ich bin eine Freundin von Beate … Frau Soltau, meine ich«, stotterte Nicole Herrgen. »Sie hat mich beauftragt …«
»Wie ist Ihr Name?«, herrschte der Alte sie an.
»Nicole Herrgen«, antwortete sie, folgsam wie ein Schulmädchen. Dann bückte sie sich nach ihrem Handy, was der Alte zu ihrer Überraschung kommentarlos geschehen ließ. »Dieter?«, rief sie, kaum dass sie das Telefon am Ohr hatte. »Ruf die Polizei an, ich werde bedroht!«
Der Mann mit der Pistole ließ ein heiseres Kichern hören. »Is’ Auslegungssache, wer hier wen bedroht«, lachte er mit Blick auf die Vase, die Nicole Herrgen noch immer in der anderen Hand hielt.
»Sie haben eine Pistole«, gab sie zurück.
»Ist bloß ’ne Attrappe«, erwiderte er achselzuckend. »Aber sie sieht verdammt echt aus, nicht wahr?«
»Oh ja, allerdings.« Nicole Herrgen versuchte ein Lächeln, auch wenn allmählich etwas wie Wut in ihr aufstieg. Wut über den Schrecken, den er ihr eingejagt hatte.
»Ich hab die Tür aufstehen sehen und dachte, ich guck besser mal rein«, brummte der Alte versöhnlich. »Wär ja möglich gewesen, dass irgend so ’n perverser Trophäenjäger hier eingedrungen ist, um sich ein Andenken zu sichern. Oder Schlimmeres …« Er machte eine bedeutungsvolle Pause, doch Nicole Herrgen blickte ihn nur verständnislos an.
»Die Nachnamen der Opfer sind in den Zeitungen zwar nicht erwähnt, aber es wäre natürlich ’n Klacks, sie rauszufinden, wenn man was im Schilde führt.« Der Alte kniff seine klugen grauen Augen zu zwei geringschätzigen Schlitzen zusammen. »Wahrscheinlich kursiert das alles sowieso schon längst im Internet, zusammen mit jeder Menge anderer Informationen über diese armen Menschen. Ob sie verheiratet gewesen sind, zum Beispiel. Oder ob sie Kinder hatten.«
Nicole Herrgen
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