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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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wir hier noch …« »Dieter«, unterbrach sie ihn entsetzt.
    »Was denn?«
    »Ich bin ganz sicher, dass ich die Tür abgeschlossen habe, als ich vorhin gegangen bin.«
    »Ja und?«
    »Und jetzt ist sie nur zugezogen.«
    Dieter Herrgen verzog das Gesicht. »Bestimmt hast du dir bloß eingebildet, dass du abgeschlossen hast.«
    »Oh nein«, protestierte sie. »Ich bin mir vollkommen sicher. Ich weiß sogar noch, dass ich beim Abschließen an Beate dachte und daran, wie nachlässig sie diese Dinge immer gehandhabt hat.«
    »Was ist mit diesem komischen Kauz, der dich bedroht hat?«, versuchte Dieter Herrgen, dem Problem mit Logik beizukommen. »Vielleicht hat der doch einen Schlüssel. Oder der Hauswirt war hier, um nach dem Rechten zu sehen.«
    »Das glaube ich kaum«, entgegnete Nicole Herrgen. »Beate hasste das Gefühl, dass jemand während ihrer Abwesenheit hereinkommen und in ihren Sachen stöbern könnte.«
    Dieter Herrgen seufzte und schob seine Frau beiseite, um das Schloss zu begutachten, das jedoch völlig intakt zu sein schien. »Du musst dich täuschen«, befand er nach gründlicher Prüfung des Sachverhalts. »Entweder in Bezug auf den Schlüssel oder darin, dass du abgeschlossen hast.«
    »Na ja, vielleicht war ich wirklich ein bisschen durcheinander«, räumte Nicole Herrgen ein. »Diese Polizisten und die ganzen Fragen und all das …«
    Na also, sagte der Blick ihres Mannes. Ganz wie ich gedacht habe!
    »Und jetzt?«, fragte sie, als sie in der Diele standen.
    »Machen wir als Erstes die Aufnahmen«, sagte er, indem er die mitgebrachte Digitalkamera schwenkte.
    Sie waren übereingekommen, sämtliche Bilder und Skulpturen zu fotografieren und die Aufnahmen anschließend an Hilmar Quenstedt zu schicken, jenen Frankfurter Galeristen, der Beate Soltau hin und wieder ein paar ihrer Flohmarktschnäppchen abgekauft hatte. Vielleicht lässt er sich ja doch herab, das eine oder andere Bild zu übernehmen, wenn er sich nicht die Mühe zu machen braucht, persönlich vorbeizuschauen, dachte Nicole Herrgen hoffnungsvoll. Und was er nicht haben will, können wir mit denselben Fotos in einer von diesen kostenlosen Zeitungen inserieren, in denen die Leute ihre alten Brautkleider und Kinderwagen und sonstigen Trödel zum Kauf anbieten, hatte ihr Mann unsentimental angemerkt. Oder aber wir stellen den ganzen Krempel ins Internet.
    Krempel, dachte Nicole Herrgen mit einem Anflug von schlechtem Gewissen. Wie gut, dass Beate ihn nicht mehr hören kann!
    Sie trat ins Wohnzimmer, das jetzt still und dunkel dalag, und tastete an der Wand neben der Tür nach dem Lichtschalter, als sie eine Bewegung wahrzunehmen glaubte. Es war nicht viel mehr als ein unbestimmter Eindruck, dem Nicole Herrgen nicht einmal eine genaue Richtung zuordnen konnte, aber irgendetwas an dieser Wahrnehmung ließ ihre Alarmglocken schrillen.
    Sie zögerte einen kurzen Moment, dann schaltete sie das Licht ein. Der imposante Lüster über dem Esstisch flammte auf, und Nicole Herrgens Blick fiel auf die Verbindungstür zum angrenzenden Schlafzimmer, die geschlossen war, genau wie vorhin. Die Tür hatte einen Glaseinsatz, der etwa auf Schulterhöhe begann und hinter dem eine indifferente Düsternis schwebte, und doch hatte Nicole Herrgen einen kurzen Moment lang den Eindruck, dass diese blinde Scheibe sie anstarre. Und dass es die Klinke gewesen war, die sich bei ihrem Eintreten bewegt hatte.
    So ein Blödsinn, dachte sie, doch das dumpfe Gefühl von Bedrohung, das sie empfand, wollte sich einfach nicht legen. Also bedeutete sie ihrem Mann, der eben zu einer ungeduldigen Bemerkung ansetzen wollte, still zu sein, und schlich dann so leise sie irgend konnte auf die geschlossene Tür zu.
    Ein Schritt. Zwei. Drei. Und …
    Der Ton, der die angespannte Stille zerriss, war so laut, dass Nicole Herrgen entsetzt aufschrie, und sie brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, dass er zu einem Telefon gehörte. Zu Beates Telefon in der Diele.
    Sie drehte sich zu ihrem Mann um, der ein paar Meter hinter ihr stehen geblieben war und ratlos mit den Schultern zuckte. Gemeinsam lauschten sie dem Klingelton, der einfach nicht enden wollte, und Nicole Herrgen dachte, dass es beinahe unmöglich war, dass jemand, der Beate gekannt hatte, nicht auch von ihrem Tod erfahren hatte. Ich sage Ihnen, irgendwann fallen hier ganze Scharen von Leichenfledderern ein und lungern herum und fotografieren alles, hörte sie den alten Herrn Kuhlmann aus dem vierten Stock flüstern. Und auf

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