Querschläger
einmal fühlte sie eine elementare Wut in sich aufsteigen. Was bildeten sich diese verdammten Freaks eigentlich ein? Was bezweckten sie mit solcherlei Aktionen? Wollten sie hören, ob sich vielleicht irgendwann ein Anrufbeantworter einschaltete? Ein Band, auf dem die Stimme einer Toten aufgezeichnet war?
Nicole Herrgen stürmte in die Diele hinüber, wo das Telefon noch immer vor sich hin klingelte, ein scheppernder, blecherner Ton wie aus einem alten Hollywood-Film. Das Telefon selbst war ein antiquiertes Gerät, klobig und schwarz mit einer schwergängigen Wählscheibe anstelle eines Ziffernblocks und einem kühn geschwungenen Hörer, der für sich genommen schon mindestens ein Pfund wog. Beate Soltau hatte den Apparat – genau wie so viele andere Dinge in dieser Wohnung – auf dem Flohmarkt erstanden und von einem Fachmann für teures Geld an die technischen Erfordernisse der modernen Zeit anpassen lassen.
»Was ist?«, flüsterte Dieter Herrgen, als er sah, dass seine Frau noch immer zögerte. »Jetzt nimm schon endlich ab!«
Nicole Herrgen hielt den Atem an und beobachtete ihre eigene Hand, die nach dem Hörer griff wie Grace Kelly in Bei Anruf Mord … »Ja?«
Doch der Anrufer antwortete nicht. Allerdings legte er auch nicht auf, denn anstelle eines erlösenden Freizeichens drang nichts als brüllendes Schweigen aus dem Hörer, der sich in Nicole Herrgens zitternden Fingern in pures Blei verwandelt zu haben schien. Automatisch suchten ihre Augen nach einem Display, wie sie es von ihrem eigenen Telefon gewöhnt war, irgendeine hilfsbereite Anzeige, auf der sich mit etwas Glück vielleicht die Rufnummer des Gesprächspartners ablesen ließ, aber natürlich verfügte dieses Fossil von einem Fernsprecher nicht über solcherlei technischen Schnickschnack. Es war einfach nur klobig und alt und schwieg vor sich hin.
Nicole Herrgen überlegte, was sie nun tun sollte. Einfach auflegen?
Aber da war nach wie vor eine Verbindung!
Irgendjemand, der ihr zuhörte.
»Hallo«, rief sie, und seltsamerweise hatte sie das Gefühl, dass ihre eigene Stimme ihr aus dem Hörer entgegenschallte. Fast wie ein Echo.
Im nächsten Augenblick dröhnte ein verzerrtes Freizeichen aus dem Apparat.
Nicole Herrgen blickte sich nach ihrem Mann um. In seinen Augen lag eine unausgesprochene Frage, doch sie schüttelte energisch den Kopf und wies mit dem Kinn Richtung Schlafzimmertür. Wir müssen zuerst nachsehen, flehte ihr Blick. Das hier darf uns nicht von dieser anderen Sache ablenken, verstehst du! Wir müssen sicherstellen, dass ich mich getäuscht habe. Dass niemand außer uns in dieser Wohnung ist. Einverstanden?
Ihr Mann runzelte die Stirn, und sie konnte sehen, dass er nicht wusste, ob er ein Machtwort sprechen oder sich anstecken lassen sollte von dem, was sie fühlte.
Komm schon. Immerhin sind wir zu zweit.
Dieter Herrgen nickte ein paarmal stumm vor sich hin und schien sich jetzt auch endlich auf seine Beschützerrolle zu besinnen. Er nahm die Schultern zurück und stürmte mit beherzten Schritten quer durch Beate Soltaus verkitschtes Wohnzimmer, wo er unter den Augen des kriegsversehrten Gekreuzigten die Tür zum Schlafzimmer aufriss.
Der Raum dahinter lag erwartungsgemäß im Dunkeln, doch von der gegenüberliegenden Wand leuchteten Dieter Herrgen die blumigen Tüllgardinen entgegen, die Beate Soltau so sehr geliebt hatte und die sich nun im Wind bauschten, der durch die sperrangelweit geöffnete Balkontür hereinwehte …
Vii
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