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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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keine Sau darüber wundern, wenn ich mit bepissten Hosen hier rausrenne. Angst ist etwas, das alle verstehen. Und das Schlimmste, was mir blüht, sind ein paar mitleidige Blicke.
    I guess I die another day!!!
    Er nickt und sieht seinem Schulkameraden direkt in die noch immer merkwürdig grünlich schimmernden Augen. Dabei sind die doch eigentlich blau, oder nicht? Blaugrau, normalerweise. Aber was war schon normal, an einem Tag wie diesem?
    »Raus hier!«
    Sven Strohte stolpert voran, und im fahlen Licht der Notbeleuchtung kann Nikolas Hrubesch die Muskeln in seinem Nacken sehen. Zwei erstaunlich dicke, zum Zerreißen gespannte Stränge.
    Dass man vom Klavierspielen solche Muskeln bekommt, denkt er verwundert.
    »Da rein! Los! Mach endlich!«
    Ein Umkleideraum, was sonst. Und schon wieder ist es einer für Mädchen. Fast wie ein Leitmotiv, denkt Nikolas Hrubesch, womit wir denn auch schon wieder bei der Musik wären. Wie passend! Wie komisch!
    Aber der Ort, den er sich für den großen Showdown ausgesucht hat, ist tatsächlich verdammt gut gewählt. Es gibt zwei schmale Fenster hoch oben an der Wand, fast wie mittelalterliche Schießscharten. Die Fenster gehen direkt auf den Schulhof. Wenn einer von seiner Größe sich auf die Zehenspitzen stellt, kann er einen verbeulten Mülleimer und ein paar zerklüftete Baumstämme sehen. Dazu eine Fläche von der Größe eines Klassenzimmers. Hof. Laub. Asphalt. Von dort muss der Attentäter die nahenden SEK-Beamten gesehen haben, nachdem er sich zuvor, urplötzlich ermüdet vom Töten, ins Untergeschoss geflüchtet hatte, berichtet ein imaginärer Nachrichtensprecher in seinem Kopf. Der Junge begreift, dass er keine Chance mehr hat, und macht der Sache selbst ein Ende. Booooom …
    »Zieh dich aus!«
    Sven Strohte reagiert nicht.
    Nikolas Hrubesch stutzt, als er ein fernes Geräusch wahrnimmt. Er kann es nicht zuordnen oder auch nur näher definieren, aber er weiß, dieses Geräusch bedeutet, dass seine Zeit abgelaufen ist. Ohne Sven Strohte aus den Augen zu lassen, geht er auf die wacklige Holzbank an der Wand zu und streift sich den Rucksack von den Schultern. Blind tastet er nach den Trägern, lockert die Kordel, sucht den anderen, den harmlosen, den Schülerrucksack, der ihn begleiten wird auf seinem Weg in die Unsterblichkeit. Den Rucksack mit den Brotkrümeln. Als er ihn gefunden hat, lächelt er und nimmt die Waffe noch ein Stück höher, sodass die Mündung jetzt genau zwischen Sven Strohtes Augen zielt.
    »Hey, Mann, brauchst du ’ne gottverdammte Extraeinladung? Lass gefälligst endlich die Hose runter, du Arsch!«
    Doch Sven Strohte macht keine Anstalten, seine Hosen fallen zu lassen.
    Er lässt seine Hosen nicht fallen, und er stellt keine Fragen.
    Er sinkt nicht auf die Knie, er winselt nicht um Gnade, und er fängt auch nicht an zu weinen.
    Er starrt einfach nur die Mündung der Waffe an, während sich der Ausdruck seiner Augen verändert. Bemerkenswerterweise vollzieht sich die Veränderung auch farblich. Von leuchtend Katzengrün zu fiebrig glänzend Tiefschwarz.
    Nikolas Hrubesch beobachtet das Wechselspiel mit einer Mischung aus Faszination und Verwunderung.
    Auf Sven Strohtes hoher, schön geschwungener Stirn hat sich ein feiner Schweißfilm gebildet.
    Sein Brustkorb senkt sich.
    Dann holt er noch einmal, ein letztes Mal, Luft und stürzt sich mit einem Hechtsprung durch die Tür zu den angrenzenden Duschen.
    Toilette 399, 3. Stock, 12:24 Uhr
    Die Stille hat bereits seit einer halben Ewigkeit Bestand, als sie sich endlich aus ihrem Versteck wagt. Zunächst hat sie nur die Finger aus den Ohren genommen. Den Kopf gehoben. Gelauscht. Wieder gelauscht. Genau wie vorhin. Genau wie beim ersten Mal. Aber jetzt sind da entfernte Geräusche. Andere Geräusche.
    Autos?
    Ein Hubschrauber?
    Miranda Kerr blickt auf die Uhr an ihrem Handgelenk, und als es ihr endlich gelingt, zu verstehen, was die Zahlen bedeuten, die vor ihren Augen flimmern, erkennt sie, dass sie schon seit beinahe einer halben Stunde auf diesen verdammten Kacheln liegt. Eine halbe Stunde! Ist das jetzt lange genug?
    Zu lange?
    Seit wann ist es schon still da draußen?
    Sie nimmt all ihren Mut zusammen und beginnt zu kriechen. Bäuchlings, trotz ihrer Masse. Der Wasserhahn im Vorraum läuft noch immer, und Miranda Kerr fragt sich, wie viele Liter seither dort im Ausguss versickert sein mögen. Davon geflossen. Vergeudet. Passe.
    Ihr ist kalt. Ziemlich kalt sogar. Die Kälte macht es noch schwerer, sich

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