Querschläger
echter Small-Talk-Künstler! Er überlegte, was er sagen konnte, um Ninas kleinen Kavalier zumindest rhetorisch in angemessene, fünfjährige Schranken zu verweisen, doch dann besann er sich auf die eindringliche Mahnung seiner Frau, er habe Ninas Wahl im Hinblick auf ihre Freunde zu akzeptieren, wie auch immer seine persönlichen Vorlieben aussehen mochten, und er antwortete ebenso höflich: »Danke, ausgezeichnet.«
»Mama sagt, dass wir dir das bringen sollen«, erklärte Nina, indem sie ihrem Vater die Wasserflasche entgegenstreckte. »Weil du sonst verdurstest.«
»Danke, Schatz.« Verhoeven nahm die Flasche und trank einen Schluck, während Dominik Rieß-Semper sein beträchtliches Gewicht von einem runden Beinchen auf das andere verlagerte. Er trug einen marineblauen Matrosenpullover zu seinen Jeans, in dem er wie eine als Seemann verkleidete Putte aussah.
»Ihre Hose ist dreckig.«
Verhoeven blickte an sich hinunter und stellte fest, dass die Bemerkung des Jungen maßlos untertrieben war und somit vermutlich einen primitiven Versuch männlicher Verbrüderungstaktik darstellen sollte. »Tja«, entgegnete er mit einem unmotivierten Augenzwinkern, »das macht wahrscheinlich der Matsch, in dem ich hier seit knapp vier Stunden stehe.«
»Er baut einen Teich«, verkündete Nina, und Dominiks Miene ließ keinerlei Zweifel daran, dass er mit dieser Tatsache bereits hinreichend vertraut war. »Da kommen dann ganz viele Fische rein und Libellen und Frösche und all so ’n Zeug. Und im Sommer können wir Tretboot fahren und …«
»So groß wird der Teich nicht, Schatz«, bemühte sich Verhoeven wie schon beim Frühstück, die Erwartungen seiner Tochter wieder ein paar Grade herunterzuschrauben.
Natürlich nicht, schien Dominiks spöttischer Blick zu sagen. Woher denn auch?
Verhoeven kniff die Augen zusammen und ließ die Wasserflasche sinken. »Im Übrigen wäre Tretbootfahren in einem Privatgarten auch gar nicht erlaubt«, setzte er hinzu, getrieben von dem gänzlich irrationalen Wunsch, sich vor dem Freund seiner Tochter zu rechtfertigen. Einem Freund, wohlgemerkt, der fünf Jahre alt war. Der dick war. Und der es trotzdem immer wieder schaffte, dass er, sechsunddreißig Jahre reif und Kriminalbeamter des gehobenen nicht technischen Dienstes, sich komplett zum Idioten machte. »Es gibt Verordnungen gegen so etwas, wisst ihr?«
»Verordnungen gegen Tretbootfahren?«, hakte Nina ungläubig nach.
»In Privatgärten«, stammelte Verhoeven, wobei er inständig hoffte, dass seine Frau sie nicht hören konnte. »Das ist nämlich etwas anderes als offenes Wasser … Ihr wisst schon, Flüsse und so.«
»Schade«, maulte Nina, doch die professionell anmutende Nonsens-Erklärung ihres Vaters hatte ihr für den Augenblick allen Wind aus den Segeln genommen, und selbst Mister Besserwisser-Semper schien ernsthaft beeindruckt zu sein.
Beschämt griff Verhoeven wieder nach seinem Spaten.
»Dürfen wir dir helfen?«, wollte seine Tochter indessen mit wiedererwachendem Eifer wissen.
Verhoevens Blick suchte ihren kleinen Kavalier, den die Aussicht auf eine Runde schweißtreibenden Grabens im Garten seiner Freundin nicht gerade glücklich zu machen schien, und nickte. »Sicher. Warum nicht?«
»Au prima!« Nina klatschte begeistert in die Hände. »Wo ist meine Schaufel?«
»Welche?«
Sie verdrehte die großen Augen, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte. Bloß dass ihre braun waren. Nicht blau. »Na, die vom Strand natürlich.«
»Im Schuppen, glaube ich.«
»Ich hole sie«, rief sie und stürmte davon.
»Und was ist mit dir?«, wandte sich Verhoeven an Mister Small-Talk-Semper, kaum dass seine Tochter außer Hörweite war. »Guckst du nur zu, oder nimmst du meinen Spaten?«
Dominik stand ganz still, während sein rundes Gesicht röter und röter wurde.
»War ’n Scherz«, grinste Verhoeven, indem er den Spaten provozierend kraftvoll aus dem zähen Boden riss und ihn elegant von einer Hand in die andere gleiten ließ. »Tja, ich schätze, in so ein Gerät musst du erst noch ein bisschen rein wachsen, was?«
»Ich hab neue Hosen an«, entgegnete Dominik, der sich inzwischen gefangen hatte, würdevoll. »Und wenn ich die dreckich mach, schimpft meine Mum.« Er stutzte und drehte sich zu Silvie Verhoeven um, die in diesem Augenblick, begleitet von ihrer Tochter, über den Rasen kam und seine letzten Worte aufgeschnappt hatte.
»Worüber schimpft deine Mutter?«, fragte sie, indem sie Dominik fürsorglich eine
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