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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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zurückkehrte.« Seine Augen suchten wieder die Zigarettenschachtel neben dem Aschenbecher, aber er griff nicht zu. Stattdessen trank er einen Schluck Wasser. »Hrubesch nötigt den Jungen also in einen Umkleideraum zwei Türen weiter, wo er ihn mit vorgehaltener Waffe dazu auffordert, seine Kleider auszuziehen. Aber wie ich bereits sagte, ist es Sven Strohte gelungen, seinem Peiniger zu entkommen.«
    Einem Jungen, wohlgemerkt, dem schon angesichts einer angedrohten Tracht Prügel der Arsch derart auf Grundeis geht, dass er es noch nicht einmal wagt, zu überprüfen, ob die Tür, die ihn von der erlösenden Freiheit trennt, auch tatsächlich verschlossen ist, ergänzte Verhoeven in Gedanken. Und der dann ausgerechnet im Angesicht einer geladenen Schusswaffe urplötzlich und wundersam über sich hinauswächst …
    »Wir werden Sven Strohtes Geschichte selbstverständlich auf Herz und Nieren prüfen«, wiederholte Hinnrichs mit einem herausfordernden Blick in Verhoevens Richtung. »Aber nach dem augenblicklichen Stand der Dinge müssen wir davon ausgehen, dass Nikolas Hrubesch das Schulgelände in den Kleidern seines Schulkameraden verlassen wollte. Punkt. Aus.«
    »Bleibt die Frage, warum er stattdessen gestorben ist«, merkte Verhoeven mit leisem Sarkasmus an.
    Burkhard Hinnrichs reagierte nicht, sondern bedachte ihn lediglich mit einem seiner vernichtenden Blicke.
    Winnie Heller hatte sich unterdessen noch einmal den Gebäudeplan vorgenommen und schob ihre Kopie jetzt in einer entschlossenen Geste über Hinnrichs’ wuchtigen Eichenholzschreibtisch. »Wohin ist dieser Sven Strohte eigentlich genau getürmt?«, erkundigte sie sich interessiert.
    »Er ist von dem Umkleideraum, in den Hrubesch ihn genötigt hatte, durch diesen angrenzenden Duschraum hier auf den Flur hinausgerannt«, erklärte der Leiter des KK 11, und in seiner Stimme schwang ein Hauch unterdrückten Ärgers. Offenbar hatte er von der Detailbesessenheit seiner Beamten allmählich die Nase voll. »Von dort ist er in diesen Raum auf der anderen Seite des Ganges gelaufen, wo er sich hinter einem Warmwasserboiler versteckt hat.« Er wandte sich von Winnie Hellers Raumplan ab und ließ sich so schwungvoll in seinen Ledersessel zurücksinken, dass dieser ein ächzendes Geräusch von sich gab. »In seinem Versteck hört unser Zeuge Schritte«, fuhr er fort, offenbar wild entschlossen, seine Zusammenfassung von Sven Strohtes Aussage voranzutreiben, bevor die beiden Kommissare auf der anderen Seite des Schreibtischs ihn mit weiteren unbequemen Rückfragen belästigen konnten. »Und natürlich nimmt er an, dass diese Schritte Hrubesch gehören, der auf der Suche nach ihm ist.« Seine Hand tastete blind nach dem Protokoll von Sven Strohtes Aussage, das zuoberst auf einem Stapel Dokumente lag. »Darüber hinaus hat der Junge übrigens angegeben, dass er außer den besagten Schritten auch Nikolas Hrubeschs Stimme gehört habe.«
    Verhoeven horchte auf. »Folglich hat sich Hrubesch mit irgendwem unterhalten?«
    »Vielleicht ja, vielleicht nein«, entgegnete Hinnrichs. »Vielleicht hat er auch einfach vor sich hin geredet. Oder telefoniert.«
    »Wurde denn ein Mobiltelefon gefunden?«, insistierte Verhoeven. »Oder irgendetwas anderes in dieser Richtung?«
    Sein Boss verneinte und schob den Aktendeckel mit dem Vernehmungsprotokoll von sich, als könne er alles, was damit zusammenhing, auf diese Weise abhaken. »Leider Gottes konnte unser Zeuge nicht verstehen, was Hrubesch da redete. Das Einzige, was er sicher zu wissen glaubt, ist, dass es die Stimme des Attentäters war, die er gehört hat. Und dann sei plötzlich ein Schuss gefallen.« Er blickte seine Beamten über seine randlose Brille hinweg an. »Sven Strohte bleibt natürlich brav hinter seinem Boiler hocken, um darauf zu warten, dass irgendwer auftaucht und ihn befreit, weil er sich inzwischen auch zusammenreimen kann, was Hrubesch in der Zeit seiner Abwesenheit getrieben hat. Aber es kommt niemand. Und nein«, kam er einer neuerlichen Zwischenfrage von Winnie Heller zuvor, »der Junge hat auch keine weiteren Schritte mehr gehört. Wie gesagt hielt er es für das Klügste, dort zu bleiben, wo er war, bis ihn die schwerbewaffneten Kollegen des SEK schließlich aus seinem Versteck gezerrt und zur Vernehmung in die Kommandozentrale gebracht haben.«
    Verhoeven blickte an seinen ausgestreckten Beinen hinunter. Vor seinem Aufbruch ins Präsidium hatte er sich in aller Eile Gesicht und Hände gesäubert, seine

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