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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Aspekt. Aber ein Amoklauf als Ablenkungsmanöver für einen Mord? Initialisiert von einem, der ein ganz konkretes Ziel verfolgte? Der jemanden loswerden und die Leiche in einer Reihe von mehr oder minder zufällig ums Leben gekommenen Personen verschwinden lassen wollte? In der breiten Masse, so makaber die Redewendung in diesem Zusammenhang klang?
    Verhoevens Blick wanderte hinüber zu den Porträts der drei Opfer, die nachweislich dem anderen, dem zweiten Schützen zum Opfer gefallen waren. Winnie Heller hatte ihre Fotos aus der Reihe der übrigen Toten herausgenommen und nebeneinander an einer Extratafel befestigt: Angela Lukosch, Karla Oppendorf und Beate Soltau, die Schulsekretärin. Dazu ein wenig abseits Lukas Wertheim, über dem ein imaginäres Fragezeichen zu schweben schien. Verhoeven betrachtete das braun gebrannte Modelgesicht des Jungen, das ihn entfernt an Costas, seinen göttergleichen Griechenschwager, erinnerte, und überlegte, ob eines dieser vier Opfer mit Vorbedacht getötet worden war. Von jemandem, der einen triftigen Grund hatte, der betreffenden Person den Tod zu wünschen. Eine Abiturientin, eine Fünfzehnjährige und eine Sekretärin …
    »Wenn es für einen dieser Morde ein handfestes Motiv gibt, und wir finden es, dann wird es uns zwangsläufig zum Täter führen«, bemerkte Winnie Heller in diesem Augenblick folgerichtig, wobei sie mit jugendlichem Enthusiasmus ihre Informationsmappe zuklappte, als sei dieser simplen Feststellung nichts mehr hinzuzufügen.
    »Ach wirklich?«, schnappte Hinnrichs. »Dann verraten Sie mir vielleicht auch, warum unser zweiter Mann drei Menschen erschossen hat, wenn es ihm in Wahrheit um ein ganz bestimmtes Opfer gegangen sein soll?«
    Vier, korrigierte ihn Verhoeven im Stillen. Unser Mann hat nachweislich vier Menschen erschossen, wenn wir Hrubesch mitzählen. Laut sagte er: »Vielleicht wollte er ganz sicher gehen.«
    »Sicher?« Hinnrichs’ Finger klimperten mit dem Kaffeelöffel auf seiner Untertasse. »Was zum Teufel meinen Sie mit sicher?«
    »Vielleicht hat er befürchtet, dass jemand auf die Idee kommt, die Projektile aus den Körpern der Opfer mit der sichergestellten Glock abzugleichen«, entgegnete Verhoeven. »Genau, wie es letztendlich auch geschehen ist.«
    »Sie denken an eine Art Ablenkungsmanöver?«
    Im Augenblick denke ich noch gar nichts, dachte Verhoeven bei sich. Nichtsdestotrotz nickte er. »Damit im Fall der Fälle nicht auf den ersten Blick klar wird, wer das eigentliche Ziel gewesen ist.«
    Hinnrichs kniff seine ohnehin nicht gerade vollen Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. »Folglich wären die beiden anderen Toten, die wir diesem Kerl mit Bestimmtheit zuordnen können, also gewissermaßen Kollateralschäden?«, fragte er, ohne auch nur zu ahnen, wie weit er sich mit seiner Formulierung an die Gedankengänge des toten Amokläufers angenähert hatte. »Na, das wäre ja wirklich mehr als perfide!«
    »Perfide ganz sicher«, nickte Verhoeven. »Aber durchaus nicht undenkbar. Schließlich hätte unser Mann – vorausgesetzt, wir liegen richtig – auch zugelassen, dass ihm Nikolas Hrubesch auf seiner pervertierten Jagd nach Macht das Feld bereitet, indem er auf alles schießt, was Beine hat.«
    »Hey, stopp, Moment mal!«, rief Winnie Heller und schlug dabei so heftig auf den Tisch, dass die Kaffeetassen der Kollegen klirrten. »Würde diese ganze Show, die unser Hintermann da abgezogen hat, um sein eigentliches Ziel zu verschleiern, nicht eigentlich bedeuten, dass sein Motiv sozusagen auf der Hand liegt?«
    Hinnrichs runzelte die Stirn. »Was meinen Sie?«
    »Dass wir, wenn wir das eigentliche Opfer unseres zweiten Schützen kennen würden, automatisch darauf kämen, wer es getötet hat.«
    Keiner der Kollegen sagte etwas. Aber alle spürten, dass Winnie Heller auf einen wichtigen Aspekt hingewiesen hatte.
    »Also tötet unser Mann das Opfer, um das es ihm eigentlich geht. Plus zwei oder drei weitere als Ablenkung«, murmelte Bredeney kopfschüttelnd.
    Winnie Heller nickte sinnierend vor sich hin. »Er baut sich ein Netz unter dem Trapez, auf dem er turnt.«
    »Dann ist er verdammt vorsichtig.«
    »Genau das ist der Punkt, der mir Sorgen macht«, seufzte sie.
    »Warum?«
    »Weil wir ihn vielleicht nie finden, wenn er tatsächlich erreicht hat, was er wollte.«
    Hinnrichs funkelte Verhoeven über den Tisch hinweg wütend an. »Und Sie haben noch vor ein paar Minuten behauptet, Frau Hellers Theorie böte die größtmögliche

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