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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Wie könnte ich deinem Vater dergleichen bestreiten? Ja. Es war alles Unfug.«
    »Warum seid Ihr dann nach Paris gegangen?«
    »Teils, um die Wahrheit zu sagen, weil ich die Krönung des französischen Königs sehen wollte.«
    »Welcher König?«, fragt Godfrey
    »Derselbe wie jetzt!«, sagt Ben, empört darüber, dass sie ihre Zeit mit solchen Fragen vergeuden müssen.
    »Der große«, sagt Enoch, » der König. Ludwig XIV. Seine förmliche Krönung fand 1654 statt. Man salbte ihn mit tausend Jahre altem Engelsbalsam.«
    »Igitt, das muss ja zum Himmel gestunken haben!«
    »Schwer zu sagen, in Frankreich.«
    »Wo hatten sie so etwas überhaupt her?«
    »Unwichtig. Ich nähere mich gerade der Antwort auf die Frage nach dem Wann. Aber das war nicht mein einziger Grund. Eigentlich lag es daran, dass etwas im Gange war. Huygens – ein brillanter junger Mann aus einer bedeutenden Familie Den Haags – arbeitete dort an einer Pendeluhr, die erstaunlich war. Natürlich waren Pendel eine alte Idee
    - aber er hat etwas ganz Einfaches und Geniales damit angestellt, sodass man sie tatsächlich dazu nutzen konnte, die Zeit anzuzeigen! Ich habe einen Prototyp gesehen, der in diesem wunderschönen Haus vor sich hin tickte, wo das Nachmittagslicht vom Plein hereinströmte – das ist so eine Art Platz dicht am Palast des holländischen Hofes. Dann weiter nach Paris, wo sich Comstock und Anglesey mit – da hast du ganz Recht – hanebüchenem Unsinn abmühten. Sie waren wirklich lernbegierig. Aber es fehlte ihnen an der Brillanz eines Huygens, an der Kühnheit, eine ganz neue Disziplin zu erfinden. Alchimie war die einzige Methode, die sie kannten.«
    »Wie seid Ihr nach England übergesetzt, wo doch ein Seekrieg im Gange war?«
    »Französische Salzschmuggler«, sagt Enoch, als verstünde sich das von selbst. »Inzwischen war so mancher englische Gentleman zu dem Schluss gekommen, dass es sicherer sei, in London zu bleiben und sich mit Alchimie zu beschäftigen, als auf der Insel herumzureiten und gegen Cromwell und seine Armee neuer Prägung Krieg zu führen. Es fiel mir also nicht schwer, in London meine Last leichter und meinen Beutel prall zu machen. Dann ging ich kurz hinauf nach Oxford, wo ich nichts weiter vorhatte, als John Wilkins einen Besuch abzustatten und ein paar Exemplare des Cryptonomicon abzuholen.«
    »Was ist das?«, will Ben wissen.
    »Ein sehr komisches altes Buch, furchtbar dick und voller Unsinn«, sagt Godfrey. »Papa benutzt es, um zu verhindern, dass der Wind die Tür zuschlägt.«
    »Es ist ein Kompendium geheimer Codes und Chiffren, das dieser Wilkins einige Jahre zuvor geschrieben hatte«, sagt Enoch. »Er war damals Rektor des Wadham College, das zur Universität von Oxford gehört. Als ich dort ankam, nahm er gerade allen Mut zusammen, um im Namen der Naturphilosophie das höchste Opfer zu bringen.«
    »Wurde er enthauptet?«, fragt Ben.
    Godfrey: »Gefoltert?«
    Ben: »Gar verstümmelt?«
    »Nein. Er heiratete Cromwells Schwester.«
    »Aber Ihr habt doch gerade gesagt, damals hätte es noch keine Naturphilosophie gegeben«, beschwert sich Godfrey.
    »Doch, es gab eine – einmal die Woche, in John Wilkins’ Gemächern im Wadham College«, sagt Enoch. »Denn dort trat die Gesellschaft für Experimentelle Philosophie zusammen. Christopher Wren, Robert Boyle, Robert Hooke und andere, von denen ihr eigentlich gehört haben müsstet. Als ich dorthin kam, war ihnen der Platz ausgegangen, und sie waren in den Laden eines Apothekers umgezogen – eine weniger leicht entzündliche Umgebung. Ebendieser Apotheker, fällt mir dabei ein, forderte mich auf, in den Norden zu reisen und Mr. Clarke in Grantham einen Besuch abzustatten.«
    »Haben wir uns schon auf ein Jahr festgelegt?«
    »Ich werde mich gleich auf eins festlegen, Ben. Als ich in Oxford ankam, war besagte Pendeluhr, die ich in Huygens’ Haus in Den Haag auf dem Tisch gesehen hatte, vervollkommnet und in Gang gesetzt worden. Die erste Uhr, die diesen Namen verdiente. Galilei hatte bei seinen Experimenten die Zeit gemessen, indem er seinen Puls maß oder Musikern zuhörte; aber nach Huygens benutzten wir Uhren, die – manchen zufolge – die absolute Zeit angaben, fest und unveränderlich. Gottes Zeit. Huygens veröffentlichte 1656 ein Buch darüber; aber zu ticken begann diese Uhr, mit der das Zeitalter der Naturphilosophie anhob, erst im Jahre des Herrn -«

1655
    Commonwealth of England
Denn in der Mitte zwischen wahrer Wissenschaft und

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