Quicksilver
Sohn mit Enthauptungsgeschichten zu regalieren.
»Wenn Mr. Clarke Euch jahrelang plagte, dann müsst Ihr Mitte der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts nach Grantham gegangen sein«, sagt Ben.
»Wie könnt Ihr so alt sein?«, fragt Godfrey.
»Frag deinen Vater«, gibt Enoch zurück. »Ich bemühe mich immer noch, die Frage nach dem Wann exakt zu beantworten. Ben hat Recht. Den Versuch vor, sagen wir, 1652 zu unternehmen wäre unbesonnen gewesen; denn ungeachtet des Königsmordes hörte der Bürgerkrieg erst ein paar Jahre später vollständig auf. Cromwell schlug die Royalisten zum zigsten und letzten Mal bei Worcester. Charles II. floh mit denjenigen seiner adeligen Anhänger, die noch nicht erschlagen worden waren, nach Paris. Wenn ich es mir recht überlege, habe ich sie und ihn dort gesehen.«
»Wieso in Paris? Das war doch ein schrecklicher Umweg, um von Leipzig nach Lincolnshire zu kommen!«, sagt Ben.
»In Geographie bist du stärker als in Geschichte. Was wäre denn deiner Vorstellung nach ein guter Weg für diese Reise gewesen?«
»Na, durch die Holländische Republik.«
»Und tatsächlich habe ich dort auch Station gemacht, um bei Mr. Huygens in Den Haag vorbeizuschauen. Aber ich bin von keinem holländischen Hafen aus gefahren.«
»Warum denn nicht? Die Holländer sind sehr viel bessere Seeleute als die Franzosen!«
»Aber was war das Erste, was Cromwell tat, nachdem er den Bürgerkrieg gewonnen hatte?«
»Billigte allen Menschen, sogar den Juden, das Recht zu, den Gottesdienst abzuhalten, wo immer es ihnen beliebte«, antwortet Godfrey, als sage er einen Katechismus auf.
»Ja, natürlich – darum ging es ja schließlich, nicht wahr? Aber abgesehen davon -?«
»Tötete er sehr viele Iren«, versucht es Ben.
»Wahr, nur allzu wahr – aber auch das ist nicht die Antwort, auf die ich aus war. Die Antwort lautet: die Navigationsakte. Und ein Seekrieg gegen die Holländer. Du siehst also, Ben, via Paris zu reisen mag zwar ein Umweg gewesen sein, war aber ungleich sicherer. Außerdem hatten mich auch in Paris Leute geplagt, und sie hatten mehr Geld als Mr. Clarke. Deshalb musste sich Mr. Clarke hinten anstellen, wie man in New York sagt.«
»Warum haben Euch so viele geplagt?«, fragt Godfrey.
»Dazu noch reiche Tories!«, fügt Ben hinzu.
»Wir haben solche Leute erst eine ganze Weile später Tories genannt«, korrigiert ihn Enoch. »Aber deine Frage ist berechtigt: was hatte ich in Leipzig, das verschiedene Leute so dringend haben wollten, und zwar sowohl ein Apotheker in Grantham als auch eine Menge Kavaliere und Höflinge, die in Paris saßen und darauf warteten, dass Cromwell an Altersschwäche starb?«
»Hatte es mit der Royal Society zu tun?«, rät Ben.
»Eine scharfsinnige Vermutung. Fast ins Schwarze getroffen. Aber wir sprechen hier von den Tagen vor der Royal Society, ja vor der Naturphilosophie, wie wir sie kennen. Gewiss, ein paar gab es – Francis Bacon, Galilei, Descartes -, denen ein Licht aufgegangen war und die alles Erdenkliche getan hatten, um alle anderen dazu zu bekehren. Aber damals waren die meisten Leute, die wissen wollten, wie die Welt funktionierte, von einer ganz anderen Methode mit Namen Alchimie angetan.«
»Mein Daddy hasst Alchimisten!«, verkündet Godfrey – sehr stolz auf seinen Daddy.
»Ich glaube, ich weiß warum. Aber wir schreiben 1713. In der Zeit, von der ich spreche, gab es die Alchimie und sonst nichts. Ich kannte eine Menge Alchimisten. Ich verhökerte ihnen das Zeug, das sie brauchten. Einige jener englischen Kavaliere hatten in dieser Kunst dilettiert. Sie galt als angemessene Beschäftigung für einen Gentleman. Sogar der exilierte König hatte ein Laboratorium. Nachdem Cromwell sie vernichtend geschlagen und nach Frankreich gejagt hatte, stellten sie fest, dass sie nichts hatten, um die Jahre hinzubringen, außer -«, und hier würde Enoch, hätte er die Geschichte Erwachsenen erzählt, einiges aufgezählt haben, womit sie ihre Zeit verbracht hatten.
»Außer was, Mr. Root?«
»Außer dem Studium der verborgenen Gesetze von Gottes Schöpfung. Einige von ihnen – besonders John Comstock und Thomas More Anglesey – schlossen sich Monsieur LeFebure an, welcher Apotheker des französischen Hofes war. Sie widmeten der Alchimie sehr viel Zeit.«
»Aber war das nicht alles hanebüchener Unsinn, Humbug, Faselei und betrügerischer Mumpitz?«
»Godfrey, du bist der lebende Beweis dafür, dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt.
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