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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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verbrennen und mich und meinen Apparat zerreißen.«
    »Eben deshalb habe ich vermutet, der Beutel stamme vielleicht aus einem Theater«, sagte Daniel. »Für die Verdünnungsmaschine mag solches Pulver ungeeignet sein, aber auf der Bühne produziert es einen hübschen Blitz und Knall.«
    »Dieser Beutel«, sagte Hooke, »stammt aus der Pulverkammer eines Kriegsschiffs Seiner Majestät. Früher war es üblich – und auf manchen Schiffen verfährt man immer noch so -, das Pulver dergestalt in das Kanonenrohr einzubringen, dass man es aus einem Fass schöpfte und hineinschüttete. So ähnlich, wie ein Musketier den Lauf seiner Waffe lädt. Doch in der Hitze der Schlacht neigen unsere Kanoniere dazu, sich beim Abmessen zu vertun und das Pulver auf dem Deck zu verstreuen. Und offene Pulverbehälter in der Nähe einer in Gebrauch befindlichen Kanone herumstehen zu haben heißt die Katastrophe herausfordern. Man ist dabei, das alte Verfahren durch ein neues abzulösen. Vor der Schlacht, wenn es noch möglich ist, in Ruhe zu arbeiten, wird das Pulver sorgfältig abgemessen und in Beutel wie diesen dort gefüllt, die zugenäht werden. Die Beutel werden in der Pulverkammer des Schiffs verstaut.Während der Schlacht werden sie einzeln, je nach Bedarf, zu den Geschützen gebracht.«
    »Aha«, sagte Daniel, »der Kanonier muss den Beutel also nur noch aufschlitzen und den Inhalt in das Rohr schütten.«
    Schwerlich zum ersten Mal ärgerte sich Hooke ein wenig über Daniels Begriffstutzigkeit. »Warum Zeit damit vergeuden, ihn mit einem Messer zu öffnen, wenn Feuer das für einen besorgt?«
    »Wie bitte?«
    »Wie Ihr seht, entspricht der Durchmesser des Beutels dem Kaliber der Kanone. Warum ihn also öffnen? Nein, der ganze Beutel kommt zugenäht in das Rohr.«
    »Die Kanoniere bekommen gar nicht zu Gesicht, was drin ist!«
    Hooke nickte. »Das einzige Pulver, mit dem sich die Kanoniere befassen müssen, ist das Zündpulver, das ins Zündloch geschüttet wird und dazu dient, den Beutel zur Explosion zu bringen.«
    »Also vertrauen die Kanoniere denen, die die Beutel zunähen – vertrauen ihnen ihr Leben an«, sagte Daniel. »Wenn die falsche Pulversorte benutzt würde -«, und er verstummte, ging abermals zu dem Beutel hinüber und steckte die Finger hinein, um die Konsistenz des Pulvers darin zu prüfen. Es unterschied sich von dem Comstock-Pulver wie Mehl von Sand.
    »Eure Worte sind denen von John Comstock, als er mir diesen Beutel und dieses Fass übergab, seltsam ähnlich«, sagte Hooke.
    »Er hat sie persönlich hierher gebracht?«
    Hooke nickte. »Er hat gesagt, er traue in dieser Hinsicht niemandem mehr.«
    Woraufhin Daniel wohl recht schockiert dreinschaute, denn Hooke hob die Hand, wie um ihn zu bremsen, und fuhr fort: »Ich habe seinen Gemütszustand nur allzu gut verstanden. Einige von uns, Daniel, neigen zu einer Art Melancholie, bei der uns die Vorstellung quält, andere Männer hätten sich heimlich verschworen, uns Schaden zuzufügen. Es ist verderblich für einen Menschen, in einen solchen Zustand zu verfallen. Ich habe selbst von Zeit zu Zeit im Hinblick auf Oldenburg und andere solche Vorstellungen gehegt. Euer Freund Newton zeigt Anzeichen desselben Leidens. Von allen Menschen auf der Welt wähnte ich John Comstock am wenigsten anfällig für diese Krankheit, aber als er mit diesem Beutel hierher kam, hatte es ihn schwer gepackt, was mich stärker bekümmerte als alles andere, was in letzter Zeit passiert ist.«
    »Der Lord glaubt«, vermutete Daniel, »irgendeiner seiner Feinde habe Beutel mit fein gemahlenem Pulver wie diesen hier in die Pulverkammern von Schiffen der Flotte eingeschmuggelt. Zugenäht würde ein solcher Beutel für einen Kanonier genauso aussehen wie ein üblicherweise verwendeter; würde er allerdings in das Rohr eingeführt und gezündet -«
    »Würde das den Lauf bersten lassen und alle Umstehenden töten«, sagte Hooke. »Was man auf ein mangelhaftes Geschütz oder mangelhaftes Pulver zurückführen könnte; aber da der Lord beides herstellt, kann man am Ende immer nur ihm die Schuld geben.«
    »Wo kommt dieser Beutel her?«, fragte Daniel.
    »Der Lord sagt, er sei ihm von seinem Sohn Richard geschickt worden, der ihn in der Pulverkammer seines Schiffes gefunden habe, und zwar am Vorabend ihrer Fahrt nach Solebay.«
    »Wo Richard durch eine holländische Breitseite den Tod fand«, sagte Daniel. »Der Lord hat Euch also gebeten, diesen Beutel in Augenschein zu nehmen und ein Gutachten

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