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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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zu nennen.
    »Na, die Deklaration! Habt Ihr es denn nicht gehört? Gewissensfreiheit für Dissenter jeder Couleur – fast genauso, wie Wilkins es gewollt hat.«
    »Das ist ja eine sehr gute Nachricht, wenn sie stimmt – aber warum sollte Seine Majestät meine Anwesenheit wünschen?«
    »Na, weil Ihr neben Bolstrood der führende Dissenter seid!«
    »Das stimmt nicht.«
    »Es spielt auch keine Rolle«, sagte Roger aufgeräumt. »Er glaubt jedenfalls, dass es stimmt – und nach dem heutigen Tag wird es das auch.«
    »Warum glaubt er, dass das stimmt?«, fragte Daniel, obwohl er bereits eine Vermutung hatte.
    »Weil ich es überall herumerzählt habe«, antwortete Roger.
    »Ich habe nicht einmal für ein Hurenhaus die passenden Kleider – von Whitehall Palace ganz zu schweigen.«
    »In der Praxis besteht da kaum ein Unterschied«, sagte Roger geistesabwesend.
    »Ihr versteht nicht. Meine Perücke dient einer Schwalbenfamilie als Behausung«, beklagte sich Daniel. Aber Roger Comstock schnippte nur mit den Fingern, und ein mit diversen Päckchen und Bündeln beladener Diener sprang aus der Kutsche. Durch den offenen Schlag erspähte Daniel auch Frauenkleidung – mit darin steckenden Frauen. Zwei verschiedenen Frauen. Ein Wumm! vom Türmchen, ein unterdrückter Fluch von Hooke. »Unbesorgt, es ist nichts Stutzerhaftes«, sagte Roger. »Für einen führenden Dissenter ist es völlig angemessen.«
    »Kann man das Gleiche auch von den Damen sagen?«, fragte Daniel, während er Roger und dem Diener ins Innere von Bedlam folgte.
    »Das sind keine Damen«, gab Roger zurück und machte, von diesem schwachen Scherz abgesehen, nicht einmal den Versuch, die Frage zu beantworten. »Tut London einen Gefallen und zieht diese verdammten Kleider aus. Ich werde sie von meinem Diener verbrennen lassen.«
    »Das Hemd ist gar nicht so schlecht«, widersprach Daniel. »Na gut, ich stimme Euch darin zu, dass man es nicht mehr tragen kann. Aber man könnte noch einen Pulverbeutel für die Flotte daraus machen.«
    »Die sind nicht mehr gefragt«, sagte Roger, »nun, da der Krieg vorbei ist.«
    »Ganz im Gegenteil, ich behaupte, dass sie gerade jetzt in großen Mengen hergestellt werden müssen, da viele von den alten bekanntermaßen fehlerhaft sind.«
    »Hmm, für einen politisch Unbedarften seid Ihr gut informiert. Wer hat Euch solche Gedanken in den Kopf gesetzt? Offensichtlich ein Anhänger von Comstock.«
    »Anhänger von Anglesey behaupten vermutlich, dass die Pulverbeutel allesamt ausgezeichnet sind und dass Comstocks Kanonen mangelhaft hergestellt wurden.«
    »Unter Personen von Stand ist das allgemein bekannt.«
    »Mag sein. Aber unter uns beiden und noch ein paar anderen Leuten ist bekannt, dass Beutel mit Pulver hergestellt wurden, das fein gemahlen war.«
    Daniel hatte, ob durch Zufall oder nicht, den Zustand fast völliger Nacktheit erreicht, als er diese Worte sagte. Er hatte noch Unterhosen an; doch Roger warf ihm frische zu und wandte den Blick ab. »Daniel! Ich kann es nicht ertragen, Euch in diesem Zustand zu sehen, noch mag ich mir weiter Eure von Misstrauen genährten Hänseleien anhören. Ich werde Euch den Rücken zukehren und eine Zeit lang reden. Wenn ich mich wieder umdrehe, werde ich einen neuen Menschen erblicken, ebenso gut informiert wie gekleidet.«
    »Na schön, mir bleibt wohl kaum eine andere Wahl.«
    »Überhaupt keine. Also, Daniel. Ihr habt mich das Pulver fein mahlen und in den Beutel füllen sehen, und es hat keinen Sinn, das zu leugnen. Zweifellos denkt Ihr das Schlimmste von mir, das war ja schon seit unserer gemeinsamen Studienzeit am Trinity so. Habt Ihr aber einmal innegehalten, um Euch zu fragen, wie ein Mann in meiner Position es eigentlich fertig bringen könnte, Pulverbeutel in die Magazine eines Schiffes der Royal Navy einzuschmuggeln? Das ist ganz eindeutig unmöglich. Das muss jemand anders gewesen sein. Jemand mit sehr viel mehr Macht und Einfluss, als ich sie mir je erträumen kann.«
    »Der Herzog von Gunfl-«
    »Still. Still! Und bedenkt im Stillen die Ähnlichkeiten zwischen Kanonen und Mündern. Der Einfaltspinsel sieht eine Kanone und stellt sie sich als unfehlbare Vernichterin von Feinden vor. Doch der altgediente Artillerist weiß, dass eine Kanone, wenn sie spricht, zuweilen birst. Zumal dann, wenn sie überhastet geladen worden ist. Wenn das geschieht, Daniel, bleibt der Feind unversehrt. Er mag einen fernen Gashauch spüren, nicht kräftig genug, um ihm die Perücke zu zausen. Den

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