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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Akademie für das ganze Reich einzurichten.«
    »Wer ist Sophie?«
    »Eine andere Freundin des Doktors.«
    »Auf welcher Messe hat er die denn aufgegabelt?«
    Eliza zog die Augenbrauen hoch, beugte sich vor und sprach in einem Flüsterton, der Glas hätte schneiden können: »Sprich nicht so von ihr – Sophie ist keine andere als die Tochter der Winterkönigin. Sie ist die Herzogin von Hannover!«
    »Ach du je! Wie ist denn einer wie der Doktor in diese Gesellschaft geraten?«
    »Sophie hat den Doktor geerbt, als ihr Schwager starb.«
    »Was soll das denn heißen? Ist er ein Sklave?«
    »Er ist Bibliothekar. Sophies Schwager stellte ihn in dieser Eigenschaft ein, und als er starb, erbte Sophie die Bibliothek und den Doktor gleich mit.«
    »Aber das ist nicht gut genug – der Doktor hat Ambitionen – er möchte kaiserlicher Bibliothekar werden, oder?«
    »Im Moment sieht es so aus, dass ein Gelehrter in Leipzig vielleicht nie von einem Buch erfährt, dass in Mainz veröffentlicht wurde, und so ist die Welt der Wissenschaft bruchstückhaft und zusammenhanglos – nicht wie in England, wo alle Gelehrten einander kennen und derselben Gesellschaft angehören.«
    »Wie?! Ein Doktor hier will Dinge eher wie in England machen?«
    »Der Doktor hat dem Kaiser vorgeschlagen, man möge ein neues Dekret erlassen, dem zufolge alle Buchhändler in Leipzig und Frankfurt eine Beschreibung jedes Buches, das sie herausbringen, zu verfassen haben; diese schicken sie dann mitsamt einem Exemplar des jeweiligen Buches an …«
    »Lass mich raten: den Doktor?«
    »Ja. Und dann würde er sie alle zu einem Teil eines umfassenden, schwer zu verstehenden Etwas machen, das er aufbauen will – hier konnte er dem Drang nicht widerstehen, ins Lateinische zu verfallen, sodass ich es nicht genau sagen kann – teils Bibliothek, teils Akademie, teils Maschine.«
    »Maschine?« Jack stellte sich ein Mühlrad vor, dass aus Büchern zusammengesetzt war.
    Da wurden sie durch ein derbes, hilfloses, prustendes Gelächter aus der Ecke des Gemeinschaftsraums unterbrochen, wo der Doktor auf einem Stuhl saß und (wie sie sahen, als sie näher kamen und sich zu ihm setzten) eins der durch die Luft geflogenen und in dem Gepäckkarren gelandeten Bücher las. Wie gewöhnlich wurde ihr, das heißt, um genauer zu sein, Elizas Gang quer durch den Raum von einsamen Kaufleuten beäugt, denen fast die Augen aus dem Kopf fielen. Was Jack zunächst überrascht hatte, wurde ihm jetzt mehr und mehr zum Ärgernis, nämlich dass andere Männer imstande waren, Elizas Schönheit zu bemerken – er vermutete, dass sie es auf eine niedere und damit völlig andere Art taten als er.
    »Ich lese so gerne Romane«, rief der Doktor aus. »Man kann sie verstehen, ohne allzu viel nachzudenken.«
    »Aber ich dachte, Ihr wärt Philosoph«, sagte Eliza, die ihm inzwischen offensichtlich so nahe gekommen war, dass sie es sich leisten konnte, ein wenig zu sticheln und zu schmollen.
    »Schon, aber beim Philosophieren folgt der Verstand seiner natürlichen Neigung – woraus er ebenso viel Nutzen wie Vergnügen zieht -, während das Nachvollziehen der Betrachtungen eines anderen Philosophen dem Vorwärtsstolpern durch einen von anderen gegrabenen Gang gleichkommt – harte Arbeit an einem kalten, dunklen Ort, und schmerzhaft, wenn man gerne links gehen möchte, wo sie beschlossen haben, rechts zu gehen. Aber das hier -«, dabei hielt er das Buch hoch, »kann man lesen, ohne anzuhalten.«
    »Wovon handelt die Geschichte?«
    »Ach, diese Romane sind alle gleich – sie handeln von Schelmen, genauer gesagt, einer Art von Gaunern oder Halunken – männlichen oder weiblichen -, die wie Landstreicher (jenen allerdings an Klugheit und Einfallsreichtum weit überlegen) von Stadt zu Stadt ziehen, in lustige Kalamitäten geraten und ihren Spott treiben – oder es zumindest versuchen – mit Herzögen, Bischöfen, Generälen und -«
    »… Doktoren .«
    Es folgte ein sehr langes Schweigen, und dann sagte Jack: »Äh... ist das das Kapitel, in dem ich meine Waffe zücken sollte?«
    »Bloß nicht!«, sagte der Doktor. »Ich habe Euch nicht den ganzen Weg hierher mitgenommen, um mir Komplikationen einzuhandeln.«
    »Warum sonst?«, fragte Jack – rasch, da Eliza immer noch so rot im Gesicht war, dass es ihm weder klug noch einfallsreich erschien, ihr die Möglichkeit zum Sprechen zu geben.
    »Aus demselben Grund, aus dem Eliza einenTeil Eurer Seide opferte, um ein paar Kleider zu nähen, und so einen

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