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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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das Kneten von Teig. Jean-Baptiste dagegen betrachtete es als eine bedeutende Angelegenheit, die gewisse Formalitäten erforderte. Ein Ring dunkler Windmühlen, die rund um das Haarlemmermeer am Ufer standen, schauten, während sie die Luft zerschnitten, wie grimmige holländische Eminenzen zu. Ziemlich bald ragte aus Jean-Baptistes Rücken ein zwei Fuß langes Stück blutigen Stahls, und an seiner Brust steckte wie ein geschmackloses Schmuckstück eine juwelenbesetzte Parierstange.
    Das war alles, was Eliza noch mitbekommen durfte, bevor der Jutesack über ihren Kopf fiel und – allerdings nicht fest – um ihren Hals zugebunden wurde. Jemand umfasste ihre Knie und hob sie vom Deck hoch, während ein anderer sie unter den Achseln packte. Sie fürchtete, nur einen Augenblick lang, dass sie kurz davor war, wie Jacques (und – einem durch den Jutesack hörbaren lauten Platschen zufolge – Jean-Baptiste) über Bord geworfen zu werden. Während sie unter Deck getragen wurde, hörte sie eine knappe Äußerung auf Holländisch, dann überall in der Kaag ein aufkommendes Schlagen und Rascheln: Knie von Passagieren, die auf Deck aufschlugen und Hüte, die von ihren Köpfen geweht wurden.
    Als der Sack ihr vom Kopf gezogen wurde, sah sie sich in ihrer kleinen Kabine zwei Männern gegenüber: einem Rohling und einem Engel. Der Rohling war ein untersetzter Bure, der das mit dem Jutesack erledigt und den Hauptteil ihres Gewichts getragen hatte. Er wurde sofort von dem Engel entlassen und hinausgeschickt, einem blonden holländischen Edelmann, der so schön war, dass Eliza eher dazu neigte, neidisch auf ihn als von ihm angezogen zu sein. »Arnold Joost van Keppel«, war seine kurze Erklärung, »Page des Prinzen von Oranien.« Er schaute Eliza mit derselben Unterkühltheit an, die sie ihm entgegenbrachte – offensichtlich hatte er wenig Interesse an Frauen. Und doch ging das Gerücht,Wilhelm halte sich eine englische Mätresse – vielleicht gehörte er zu der Sorte, die alles lieben konnte.
    Wilhelm, Prinz von Oranien, Statthalter, Höchstkommandierender zur See und Oberbefehlshaber der Vereinigten Provinzen, Burggraf von Besançon und Herzog oder Count oder Baron verschiedener anderer winziger Teile von Europa 53 betrat wenige Minuten später die Kabine, rotbackig und unrasiert, leicht blutverschmiert und im Großen und Ganzen alles andere als holländisch wirkend. D’Avaux wurde nie müde darauf hinzuweisen, dass er eine Art europäischer Bastard war, mit Vorfahren aus allen Ecken des Kontinents. In der Aufmachung dieses groben Buren schien er sich ungefähr so wohl zu fühlen, wie Monmouth es in türkischer Seide getan hatte. Er war zu aufgeregt und zu selbstgefällig, um sich zu setzen – was ohnehin zu einem lästigen protokollarischen Durcheinander geführt hätte, da es in dieser Kabine nur einen Sitzplatz gab und Eliza nicht die Absicht hatte, ihn freizumachen. Daher scheuchte Wilhelm Arnold Joost van Keppel aus dem Raum, lehnte sich mit der Schulter an eine gebogene Endstrebe und blieb stehen. »Meine Güte, Ihr seid ja noch ein Kind – noch nicht einmal zwanzig? Das spricht für Euch – es entschuldigt Eure Dummheit und gibt Anlass zu der Hoffnung, dass Ihr Euch noch bessert.«
    Eliza war immer noch zu wütend über den Jutesack, um zu sprechen oder auch nur ein Zeichen zu geben, dass sie ihn verstanden hatte.
    »Schickt unverzüglich ein Dankesschreiben an den Doktor«, sagte Wilhelm, »wenn er nicht wäre, säßet Ihr jetzt auf einem langsamen Schiff nach Nagasaki.«
    »Ihr seid mit Doktor Leibniz bekannt?«
    »Wir haben uns vor ungefähr fünf Jahren in Hannover kennen gelernt. Ich bin dorthin gefahren, und nach Berlin -«
    »Berlin?«
    »Eine Stadt in Brandenburg, von geringer Bedeutung, außer, dass der Kurfürst dort seinen Palast hat. Ich habe Verwandtschaft unter den Kurfürsten und Herzögen in jenem Teil der Welt – ich war gerade auf einer Rundreise, seht Ihr, und habe versucht, sie zu einer Allianz gegen Frankreich zusammenzubringen.«
    »Augenscheinlich ohne Erfolg -?«
    » Sie waren bereit. Die meisten Holländer auch – aber Amsterdam war es nicht. Genau genommen haben die Regenten von Amsterdam mit Eurem Freund d’Avaux den Plan ausgeheckt, zu den Franzosen überzulaufen, sodass Ludwig ihre Flotte gegen England führen konnte.«
    » Ebenfalls ohne Erfolg, sonst hätte man ja davon gehört.«
    »Ich möchte behaupten, dass meine Bemühungen im Norden Deutschlands – mit der nicht

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