Quicksilver
Gesichtsausdruck erkannte Daniel, dass der andere zuerst in der Schlafkammer des Königs vorbeigeschaut hatte. Falls daran noch irgendein Zweifel bestand, so schob Roger nun seine langen Rockschöße hinter sich, ließ sich auf beide Knie nieder, beugte sich vor und erbrach sich in die Themse.
»Wollt Ihr mich bitte entschuldigen.«
»Wie damals im College.«
»Ich hätte nie gedacht, dass ein Mensch so viele Flüssigkeiten und was nicht noch alles in seinem ganzen Körper ansammeln kann!«
Daniel machte eine Kopfbewegung zu dem nahenden Boot hin. »Bald werdet Ihr neue Wunder erleben.«
»Ich habe Seiner Majestät angesehen, dass die Ärzte recht rührig gewesen sind.«
»Sie haben ihr Äußerstes getan, um sein Hinscheiden aus dieser Welt zu beschleunigen.«
»Daniel! So senkt doch Eure Stimme, zum Donnerwetter«, fuhr Roger ihn an. »Mancher versteht Euren Sinn für Humor vielleicht nicht – falls das denn das richtige Wort dafür ist.«
»Komisch, das Ihr auf den Humor, den Körpersaft, zu sprechen kommt. Alles hat mit einem Schlaganfall am Montag begonnen. Der König, zähes Geschöpf, das er ist, wäre vielleicht davon genesen – nur dass zufällig ein Arzt zugegen war, bewaffnet mit einem ganzen Arsenal von Lanzetten!«
»O weh! Doppeltes Pech!«
»Schon war eine Klinge gezückt – der Doktor fand eine Ader – und der König sagte einem oder zwei Pinten des Saftes der Leidenschaft Lebewohl. Aber davon hat er natürlich immer reichlich gehabt – also überlebte er den Dienstag und besaß bis gestern auch noch die Kraft, sich der wachsenden Horde von Ärzten zu erwehren. Dann erlitt er leider einen epileptischen Anfall, und sämtliche Doktoren platzten gleichzeitig bei ihm herein. Sie hatten in seinen Vorzimmern kampiert und darüber gestritten, welche Säfte, und wie viel davon, zu entnehmen seien. Nachdem sie eine ganze Nacht und einen Tag ohne Schlaf ausgeharrt hatten, war es unter ihnen zu einer Art Wettbewerb darum gekommen, wer die heldenhaftesten Maßnahmen befürwortete. Als der König – nach tapferem Ringen – schließlich die Besinnung verlor, fielen sie wie Hunde über ihn her. Der Arzt, der darauf beharrt hatte, der König leide unter zu viel Blut, hatte seine Lanzette in des Königs linke Jugularader gebohrt, ehe die anderen noch ihre Taschen ausgepackt hatten. Eine gewaltige Menge Blut schoss hervor -«
»Ich glaube, das habe ich gesehen.«
»Nur Geduld, ich habe ja gerade erst angefangen. Der Arzt, der ein Zuviel an Galle diagnostiziert hatte, wies nun darauf hin, dass besagtes Ungleichgewicht durch den Verlust von so viel Blut nur verschlimmert worden sei, weshalb er und ein Paar stämmiger Gehilfen den König im Bett aufsetzten, ihm den Mund aufzwängten und ihn mit diversen Federn, Fischbeinstückchen et cetera im Rachen zu kitzeln begannen. Erbrechen war die Folge. Ein dritter Arzt nun, der auf höchst ermüdende Weise darauf beharrt hatte, sämtliche Beschwerden des Königs gingen auf eine Ansammlung von Grimmdarmsäften zurück, drehte Seine Majestät herum und führte den langen Hals einer gewaltigen Kalebasse in den königlichen Anus ein. Hinein floss eine geheimnisvolle, sehr teure Flüssigkeit – heraus kam -«
»Ja.«
»Nun machte sich ein vierter Arzt daran, ihn am ganzen Leibe zu schröpfen, um andere Gifte durch die Haut herauszuziehen – daher diese gargantuesken, von kreisförmigen Verbrennungen umgebenen blauen Flecken. Nun geriet wiederum der erste Arzt in Panik, denn er erkannte, dass die von den anderen drei ergriffenen Maßnahmen zu einem Überschuss an Blut geführt hatten – es ist ja alles relativ, wie Ihr wisst. Also öffnete er auch noch die andere Jugularader, nachdem er zuvor versprochen hatte, nur ein wenig abzulassen. Er ließ dann aber doch recht viel ab. Das empörte die anderen Ärzte, und sie verlangten das Recht, ihre jeweiligen Behandlungen ebenfalls wiederholen zu dürfen. Doch da mischte ich mich ein, empfahl in Ausübung – mancher würde auch sagen, unter Missbrauch – meiner ganzen Autorität als Sekretär der Royal Society ein Purgieren von Ärzten anstelle von Säften und warf sie aus der Schlafkammer. Drohungen gegen meinen Ruf und mein Leben wurden geäußert, aber ich wies ihnen sogleich die Tür.«
»Aber als ich nach London kam, habe ich gehört, er sei auf dem Wege der Besserung.«
»Nachdem die Äskulapssöhne mit ihm fertig waren, hat er sich volle vierundzwanzig Stunden lang praktisch nicht mehr gerührt. Manche
Weitere Kostenlose Bücher