Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
hatte einem Stück Kautschuk geglichen, das sich spannte, aber nicht riss und seine wahre Gestalt niemals änderte. Nachdem er seinen Doktortitel erworben hatte, hatte ihm Cambridge nichts mehr zu bieten gehabt, außer vor leeren Sälen Vorlesungen zu halten, für die dummen Söhne von Höflingen den Tutor zu machen und mit anzusehen, wie Isaac immer weiter in trübe Gewässer abdriftete, während er seine Suche nach dem philosophischen Merkur und seine okkulten Studien der Offenbarung Johannis und des Tempels von Salomon fortsetzte. Deshalb war Daniel nach London gezogen, wo die Ereignisse an ihm vorbeischwirrten wie Musketenkugeln.
    John Comstocks Ruin, sein Auszug aus seinem Haus und sein Rücktritt als Präsident der Royal Society waren seinerzeit wie ein Wendepunkt erschienen. Doch binnen weniger Wochen war Thomas More Anglesey nicht nur zum Präsidenten der Royal Society gewählt worden, sondern hatte auch Comstocks Haus gekauft und war dort eingezogen – in das prächtigste Haus Londons, königliche Paläste eingeschlossen. Der aufrechte, konservative Erzanglikaner war von einem flamboyanten Papisten abgelöst worden, aber geändert hatte sich eigentlich nichts – woraus Daniel lernte, dass die Welt voller mächtiger Männer steckte, die jedoch, solange sie die gleichen Rollen spielten, so austauschbar waren wie zweitklassige Schauspieler, die an verschiedenen Abenden im selben Theater denselben Text sprechen.
    Alles, was 1672 und 1673 gesät worden war, hatte sich in den darauf folgenden zwölf Jahren zu Bäumen entwickelt: manche edel und wohlgeformt, manche seltsam knorrig, wieder andere vom Blitz gefällt. Knott Bolstrood war im Exil gestorben. Sein Sohn Gomer lebte mittlerweile in Holland. Andere Bolstroods waren übers Meer nach New England gefahren. Dies alles, weil Knott 1679 versucht hatte, Nell Gwyn als Prostituierte anzuklagen, ein damals als sensationell empfundener Vorgang. Je älter König Charles II. geworden war, desto mehr hatte sich London davor gefürchtet, dass es mit der Thronbesteigung seines Bruders James zu einem Rückfall in die Papisterei kommen würde, und desto dringender hatte der König es nötig gehabt, zur allgemeinen Beruhigung einen garstigen, finsteren Protestanten – einen Bolstrood – in Amt und Würden zu halten. Doch je mehr Macht Bolstrood gewonnen hatte, desto besser war er imstande gewesen, die Leute gegen den Herzog von York und die Papisterei aufzupeitschen. Ende 1678 waren sie so aufgepeitscht gewesen, dass sie begonnen hatten, Katholiken wegen Beteiligung an einer angeblichen papistischen Verschwörung aufzuhängen. Als ihnen allmählich die Katholiken ausgegangen waren, hatten sie Protestanten aufgehängt, weil diese die Existenz einer solchen Verschwörung bezweifelten.
    Zu diesem Zeitpunkt hatten Angleseys Söhne Louis, der Earl von Upnor, und Phillip, Graf Sheerness, das Familienkapital ohnehin weitestgehend verspielt und waren, da sie außer ihren Gläubigern wenig zu verlieren hatten, nach Frankreich geflohen. Roger Comstock – der geadelt worden war und sich nun Marquis von Ravenscar nennen durfte – hatte Anglesey (ehedem Comstock) House gekauft. Anstatt dort einzuziehen, hatte er es abreißen, seine Parks umpflügen lassen und dann damit begonnen, es in »den schönsten öffentlichen Platz Europas« zu verwandeln. Aber das war lediglich Waterhouse Square in größerer und besserer Ausführung. Raleigh war 1678 gestorben, doch Sterling war ebenso mühelos an seine Stelle getreten wie Anglesey an die von John Comstock, und er und der Marquis von Ravenscar hatten sich darangemacht, mit mehr Kapital und weniger Fehlern das Gleiche wie gehabt zu tun.
    Der König hatte das Parlament aufgelöst, damit es keine seiner katholischen Freunde mehr umbringen konnte, und er hatte James nach dem Prinzip »aus den Augen, aus dem Sinn« in die Spanischen Niederlande geschickt; sicherheitshalber hatte er außerdem James’ Tochter Mary mit dem Verteidiger des protestantischen Glaubens höchstpersönlich – Wilhelm von Oranien – verheiratet. Und für den Fall, dass das alles noch nicht genügte, hatte man den Herzog von Monmouth (einen Protestanten) ermutigt, durchs Land zu stolzieren und die Leute mit der Aussicht zu elektrisieren, er werde womöglich durch irgendeinen genealogischen Taschenspielertrick legitimiert und zum Thronerben gemacht.
    Mit anderen Worten, König Charles II. verstand es noch immer, zu blenden, zu unterhalten und zu verwirren. Aber seine

Weitere Kostenlose Bücher