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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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alchimistischen Versuche unter der Privy Gallery hatten nichts gefruchtet; er konnte aus Blei kein Gold machen. Und ohne Parlament konnte er auch keine Steuern erheben. Die überlebenden Goldschmiede in der Threadneedle Street und Sir Richard Apthorp mit seiner neuen Bank waren nicht in der Stimmung gewesen, ihm irgendetwas zu leihen. Ludwig XIV. hatte Charles eine Menge Gold gegeben, am Ende aber stellte sich heraus, dass der Sonnenkönig sich in nichts von jedem anderen aufgebrachten reichen Schwager unterschied; er hatte begonnen, Möglichkeiten zu finden, wie er Charles für die entgangenen Zinszahlungen leiden lassen konnte. Der König hatte sich deshalb gezwungen gesehen, das Parlament wieder einzuberufen. Dabei hatte er feststellen müssen, dass es von einer Allianz aus Vertretern der Stadt London und Freunden von Bolstrood (Feinde willkürlicher Regierung, wie sie sich selbst nannten) beherrscht wurde und dass der erste Punkt auf ihrer Tagesordnung nicht die Erhebung von Steuern, sondern der Ausschluss James’ (und jedes anderen Katholiken) von der Thronfolge war. Dieses Parlament hatte sich bei denen, die den König liebten, sogleich so unbeliebt gemacht, dass die ganze Versammlung – samt Perücken und Wollsäcken – nach Oxford hatte umziehen müssen, um vor dem von Sir Roger L’Estrange aufgepeitschten Londoner Pöbel sicher zu sein – L’Estrange hatte es aufgegeben, die Schmähschriften anderer zu unterdrücken, und stattdessen begonnen, selbst welche zu drucken. In Oxford in Sicherheit (so glaubten sie jedenfalls), hatten diese Whigs (wie L’Estrange sie schmähte) für den Ausschluss gestimmt und Knott Bolstrood zugejubelt, als er Nellie zur Hure erklärte.
    Erfahren hatte Daniel dies alles von einem Ausrufer, der die Piccadilly heraufmarschiert kam, während er und Robert Hooke in dem einstigen Ballsaal Comstocks und später Angleseys gestanden hatten, der zu dieser Zeit ein unter einem schönen, blauen Oktoberhimmel liegendes Geröllfeld aus italienischem Marmor gewesen war. Als Arbeitstisch hatten sie das Kapitell einer korinthischen Säule benutzt, das herabgestürzt war, als Ravenscars fröhliche irische Abbrucharbeiter die Säule darunter herausgerissen hatten. Das Kapitell hatte sich halb in die Erde gebohrt und lag nun in einem passenden Winkel; Hooke und Waterhouse hatten große Bögen darauf ausgerollt und die Ecken mit herumliegenden Marmorstücken – Spitzen von Engelsflügeln und Splittern von Akanthusblättern – beschwert. Es handelte sich um Pläne, die Ravenscars Vorhaben darstellten, dem Londoner Straßensystem – einer Wurzelknolle in einem zu engen Topf – ein paar Gevierte kartesischer Rationalität einzufügen. Vermesser und ihre Lehrlinge hatten mittels gespannter Schnüre und eingeschlagener Pflöcke die Achsen dreier kurzer, paralleler Straßen abgesteckt, die laut Roger die vornehmsten Läden Londons beherbergen würden: eine hieß Anglesey, eine Comstock und eine Ravenscar. An diesem Nachmittag jedoch war Roger, bewaffnet mit einem in Tinte getauchten Federkiel, aufgetaucht, hatte diese Namen ausgekratzt und an ihrer Stelle Northumbria, 55 Richmond 56 und St. Alban’s 57 hingeschrieben.
    Einen Monat später hatte es kein Parlament und keine Bolstroods mehr in England gegeben. James war aus dem Exil heimgekehrt, Monmouth war aus dem Dienst des Königs entfernt worden, und England war, da der König ganz offen hunderttausend Pfund pro Jahr vom Sonnenkönig entgegennahm und auch die meisten Londoner Politiker – Whigs wie Tories – Schmiergelder kassierten, praktisch zu einem Departement Frankreichs geworden. Nicht wenige Katholiken, die man wegen angeblicher Beteiligung an der papistischen Verschwörung in den Tower geworfen hatte, waren freigekommen und hatten Platz für ebenso viele Protestanten gemacht, die angeblich in ein Rye-House-Komplott verwickelt gewesen waren, mit dem sie Monmouth auf den Thron helfen wollten. Wie so viele papistische Verschwörer vor ihnen hatten sie im Tower prompt begonnen, »Selbstmord zu begehen«. Einer hatte sogar das Kunststück fertig gebracht, sich die Kehle bis auf die Halswirbel durchzuschneiden!
    Wilkins’Werk war also, jedenfalls bis auf weiteres, zunichte gemacht worden. Man hatte dreizehnhundert Quäker, Barkers und andere Dissenter ins Gefängnis gesteckt. So hatte auch Daniel ein paar Monate an einem übel riechenden Ort verbracht und wütende Männer die gleichen Kirchenlieder singen hören, die Drake ihn als Knaben

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