Quicksilver
kann, die draußen auf dem Korridor warten.« Der König machte eine Kopfbewegung zu der Tür, durch die er hereingekommen war. »Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen wollt, Mademoiselle. Ihr könnt jederzeit beginnen.« Er wandte sich von mir ab, zog seinen Mantel aus und reichte ihn einem der Gehilfen des Chirurgen, während er auf die schwere Bank zu schritt, die, jetzt mit weißem Leinen bedeckt, mitten im Raum auf einem Teppich aus Segeltuch stand. Der Chirurg und seine Gehilfen scharten sich um den König wie Fliegen um ein Stück Fleisch. Plötzlich hingen – zu meinem unbeschreiblichen Schrecken – die Kniebundhosen des Königs um seine Knöchel. Er legte sich bäuchlings auf die Bank. Einen Augenblick lang nahm ich an, er gehöre zu den Leuten, die sich gerne auf den Hintern schlagen lassen. Doch dann spreizte er die Beine, stemmte sich zu beiden Seiten der Bank mit den Füßen gegen den Boden und ich sah im Spalt zwischen seinen Gesäßbacken eine schreckliche purpurfarbene Schwellung.
»Pater Édouard«, sagte der König ruhig, »Ihr gehört zu den gebildetsten Männern Frankreichs. Sogar unter Euren jesuitischen Mitbrüdern werdet Ihr geachtet als jemand, dem keine Einzelheit entgeht. Da ich die Operation nicht mitverfolgen kann, werdet Ihr so gut sein, ganz genau aufzupassen und mir später alles zu erzählen, damit ich weiß, ob dieser Chirurg als Freund oder Feind Frankreichs zu betrachten ist.«
Pater Édouard nickte und sagte etwas, was ich nicht hören konnte.
»Eure Majestät!«, rief der Chirurg aus. »In den vergangenen sechs Monaten, seit ich von Euren Beschwerden erfuhr, habe ich, um meine Fertigkeiten zu vervollkommnen, hundert solcher Operationen durchgeführt …«
»Diese hundert sind für mich nicht von Interesse.«
Pater Édouard hatte bemerkt, dass ich in der Ecke stand. Ich will lieber nicht darüber spekulieren, welchen Ausdruck ich im Gesicht hatte! Mit seinen dunklen Augen – er ist ein gut aussehender Mann – fing er meinen Blick ein und schaute dann vielsagend zur Tür, durch die ich ein leises Stimmengewirr von den vielleicht zwölf Höflingen hören konnte, die sich mit zotigen Gesprächen die Zeit vertrieben.
Ich ging etwas näher – nicht zu nah – an diese Tür und ließ ein kehliges Seufzen hören. »Mmmmh, vôtre majesté !« Die Höflinge draußen fingen an miteinander zu tuscheln. In meinem anderen Ohr hörte ich ein leises Klingeln, als der Chirurg ein Messer von seinem Tisch nahm.
Ich stöhnte auf.
Der König auch.
Ich stieß einen Schrei aus.
Der König auch.
»Oh, Vorsicht, es ist das erste Mal für mich!«, rief ich, als der König lauthals Flüche gegen den Chirurgen ausstieß, die durch ein seidenes Kissen, das Pater Édouard ihm ans Gesicht hielt, gedämpft wurden.
So ging es fort. Ich schrie noch eine Weile weiter, als empfände ich ein großes körperliches Unbehagen, ging mit der Zeit jedoch zu einem lustvollen Stöhnen über. Es schien viel länger als eine Viertelstunde zu dauern. Ich legte mich auf einen zusammengerollten Teppich und riss an meinen Kleidern, löste die Bänder und Zöpfe aus meinen Haaren und atmete so schwer ich konnte, um mein Gesicht rot und verschwitzt werden zu lassen. Gegen Ende schloss ich die Augen, teils um die scheußlichen Dinge, die ich in der Mitte des Raums zu sehen begann, auszublenden, und teils, um meine Rolle überzeugender zu spielen. Jetzt konnte ich die Höflinge im Korridor deutlich hören.
»Sie ist eine Schreierin«, sagte einer von ihnen bewundernd. »Ich mag das, es bringt mein Blut in Wallung.«
»Es ist äußerst taktlos«, sagte ein anderer verächtlich.
»Die Geliebte eines Königs muss nicht taktvoll sein.«
»Geliebte? Er wird sie bald wegwerfen, wo wird sie dann sein?«
»Hoffentlich in meinem Bett!«
»Dann solltet Ihr unbedingt in ein Paar Ohrstöpsel investieren.«
»Er sollte erst einmal lernen, wie ein König zu ficken, bevor er sie überhaupt braucht!«
Ein Tropfen irgendeiner Feuchtigkeit fiel mir auf die Stirn. In der Angst, es könnte ein Blutspritzer sein, schlug ich die Augen auf und blickte senkrecht nach oben in das Gesicht von Pater Édouard de Gex. Er war tatsächlich über und über mit königlichem Blut bespritzt, aber was auf mich herabgefallen war, war eine Schweißperle von seiner Stirn. Er starrte mir direkt ins Gesicht. Ich habe keine Ahnung, wie lange er mich schon so angeschaut hatte. Ich warf einen flüchtigen Blick hinüber zu der Bank und sah überall Blut. Der Chirurg saß
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