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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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und die dienen jetzt als abschreckendes Beispiel für alle französischen Adligen, die versuchen, auf dem Amsterdamer Geldmarkt ein Vermögen anzuhäufen. Aber jetzt werdet Ihr ins Spiel gebracht, nicht wahr? Euer ›spanischer Onkel‹ ist ja Stadtgespräch.«
    »Ich soll Euch doch nicht allen Ernstes glauben, dass der König von Frankreich mich als eine Bedrohung ansieht.«
    »Natürlich nicht.«
    »Ihr, Wilhelm von Oranien, der Verteidiger des Protestantismus, seid eine Bedrohung.«
    »Ich, Wilhelm und welche Titel Ihr mir auch immer anhängen mögt, bin ein Feind , aber keine Bedrohung . Ich mag Krieg gegen ihn führen, aber ich werde ihn oder seine Herrschaft nie in Gefahr bringen. Die einzigen Menschen, die dazu in der Lage sind, leben alle in Versailles.«
    »Diese schrecklichen Herzöge und Prinzen und so weiter.«
    »Und Herzoginnen und Prinzessinnen. Ja. Und sofern Ihr diesen helft, Unheil anzurichten, müsst Ihr beobachtet werden. Warum, glaubt Ihr, hat d’Avaux Euch dorthin gesteckt? Aus purer Gefälligkeit? Nein, er hat Euch dorthin gesteckt, damit Ihr beobachtet werdet. Sofern Ihr aber Ludwig helft, die Kontrolle zu behalten, seid Ihr ein Werkzeug. Eins unter vielen in seiner Werkzeugkiste – allerdings ein ungewöhnliches, und ungewöhnliche Werkzeuge sind im Allgemeinen die nützlichsten.«
    »Wenn ich für Ludwig – Euren Feind – so nützlich bin, was bin ich dann für Euch ?«
    »Bisher eine ziemlich langsame und unzuverlässige Schülerin«, antwortete Wilhelm.
    Eliza seufzte und versuchte, gelangweilt und ungeduldig zu klingen. Doch als die Luft aus ihr herausströmte, konnte sie ein Zittern nicht unterdrücken – ein Vorbote des Schluchzens.
    »Wenn auch nicht ohne Talent«, räumte Wilhelm ein.
    Eliza ging es besser, und es gefiel ihr ganz und gar nicht, dass sie sich so ähnlich verhielt wie einer von Wilhelms Jagdhunden.
    »Nichts von dem, was ich in all den Briefen an d’Avaux geschrieben habe, war von irgendeinem Nutzen für Euch.«
    »Bisher habt Ihr Euch nur eingearbeitet«, sagte Wilhelm und zupfte wie ein Harfenspieler an verschiedenen Leinen und Schoten im Tauwerk seines Sandseglers. Er kletterte an Bord und ließ sich in dem Sitz nieder. Dann zog er an bestimmten von diesen Leinen, während er andere ablaufen ließ, und das Gefährt machte einen Satz vorwärts, rollte die Böschung der Düne hinunter und fuhr mit wachsender Geschwindigkeit zurück nach Scheveningen.
     
    Eliza stieg auf ihr Pferd und wendete. Der Wind vom Meer blies ihr jetzt ins Gesicht, wie eine aus Donnerbüchsen abgefeuerte feine Mischung aus Eis und Steinsalz. Sie beschloss, landeinwärts abzukürzen, um von der Wetterseite wegzukommen. Die Düne hinauf und über den Kamm zu reiten, bedeutete ein richtiges Vorhaben, denn hier war sie zu einer beachtlichen Höhe angewachsen.
    In der struppigen Strandbepflanzung – mannshohen Sträuchern mit weinfarbenen Blättern und roten Beeren – hatten Spinnen ihre Netze gewebt. Doch der Nebel hatte sie mit glitzernden Perlensträngen überzogen, sodass Eliza sie aus hundert Fuß Entfernung sehen konnte. So viel zum Versuch der Geheimhaltung. Obgleich ein Mensch, der sich heimlich zwischen eben diese Sträucher kauerte, um auf den Strand hinabzuschauen, vollkommen unsichtbar gewesen wäre. In den windzerzausten Bäumen weiter oben an den Hängen wohnten heisere, reizbare Vögel, die sich zum Ziel gesetzt hatten, aller Welt anzukündigen, dass Eliza gerade vorbeiritt.
    Schließlich erreichte sie den Kamm. Nicht weit davon entfernt öffnete sich ein Meer aus Gras, das sie zu den Poldern um Den Haag bringen würde. Um dorthin zu gelangen, würde sie durch einen Wald aus kümmerlichen, knorrigen Bäumen mit silbergrauem Laub reiten müssen, der auf der wetterabgewandten Seite der Düne wuchs. Sie hielt einen Moment an, um sich zurechtzufinden.Von hier aus konnte sie die Kirchturmspitzen von Den Haag, Leiden und Wassenaar sehen und vage die scharf geschnittenen Rechtecke der architektonischen Gärten auf Privatgrundstücken ausmachen, die auf dem Land entlang der Küste angelegt worden waren.
    Als sie in den Wald hinabritt, wurde das Rauschen der Wellen allmählich leiser und durch das Zischeln eines leichten Nebelregens auf den Blättern ersetzt. Sehr lange genoss sie die plötzlich einsetzende Stille jedoch nicht. Ein Mann in einem Umhang mit Kapuze trat hinter einem dieser Bäume hervor und klatschte vor dem Gesicht des Pferdes in die Hände. Das Pferd bäumte sich auf.

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