Quicksilver
trostlose, wenig differenzierte Art und Weise, aber, mit Verlaub, ich sehe, wenn ich aufschaue, nicht die Decke. Alles, was ich sehe, sind eine Menge verfluchter Franzosen, die aus einer Meile Höhe auf mich herabblicken. Ich muss sie alle zu mir herunterziehen oder mich zu ihnen aufschwingen, bevor ich beurteilen kann, ob es mir gelungen ist, eine Düne oder was auch immer zu schaffen. Deshalb sollten wir unsere Aufmerksamkeit jetzt dorthin lenken.«
»Also gut. Hier gibt es wenig, was unsere Aufmerksamkeit fesseln könnte.«
»Was glaubt Ihr, wozu die Warnung des Königs am Ende Eures letzten Briefes dient?«
»Was? – Ihr meint, was er nach seiner Operation zu mir gesagt hat?«
»Ja.«
»Fürchtet mich, wenn Ihr mein Feind seid, und wenn Ihr mein Freund seid, seid stolz? Das?«
»Ja, das.«
»Scheint mir für sich selbst zu sprechen.«
»Aber weshalb um alles in der Welt sollte der König das Bedürfnis verspüren, eine solche Warnung an d’Avaux zu richten?«
»Vielleicht hat er Zweifel an der Loyalität des Grafen?«
»Das ist undenkbar. Niemand ist so sehr ein Geschöpf seines Königs wie d’Avaux.«
»Vielleicht verliert der König die Kontrolle und sieht Feinde, wo gar keine sind.«
»Sehr unwahrscheinlich. Er hat zu viele echte Feinde, um sich auf so etwas einzulassen – und außerdem ist er weit davon entfernt, die Kontrolle zu verlieren!«
»Hm. Wie es scheint, sind meine Erklärungen allesamt unbefriedigend.«
»Jetzt, wo Ihr nicht mehr in Frankreich seid, müsst Ihr die Angewohnheit zu schmollen ablegen, meine Herzogin. Ihr macht es ausgezeichnet, aber wenn ihr es an einem Holländer ausprobiert, wird er nur den Wunsch haben, Euch eine Ohrfeige zu verpassen.«
»Werdet Ihr denn Eure Erklärung mit mir teilen, wenn ich verspreche, nicht zu schmollen?«
»Die Warnung des Königs war offensichtlich für jemand anderen als den Comte d’Avaux bestimmt.«
Das verschlug Eliza für einen Moment die Sprache. Wilhelm von Oranien machte sich am Tauwerk seines Sandseglers zu schaffen, während sie darüber nachdachte. »Ihr meint also, der König wisse, dass meine Briefe an d’Avaux von holländischen Agenten entschlüsselt und gelesen werden... und seine Warnung sei für Euch bestimmt gewesen. Habe ich das richtig verstanden?«
»Ihr fangt gerade erst an, es richtig zu verstehen... und das wird mit der Zeit langweilig. Lasst es mich deshalb erklären, denn solange Ihr das nicht versteht, seid Ihr für mich nutzlos. Jeder Brief, der von Versailles aus ins Ausland geht, ob er nun von Euch, von Liselotte, der Maintenon oder irgendeinem Zimmermädchen kommt, wird vom Postmeister geöffnet und zum Lesen ins cabinet noir geschickt.«
»Ach du liebes bisschen! Und wer sitzt im cabinet noir ?«
»Unwesentlich. Wesentlich ist, dass sie Eure Briefe an d’Avaux allesamt gelesen und dem König alles Wichtige mitgeteilt haben. Wenn sie damit fertig sind, geben sie die Briefe dem Postmeister zurück, der sie kunstvoll wieder versiegelt und in den Norden schickt … wo mein Postmeister sie von neuem öffnet, liest, wieder versiegelt und an d’Avaux weiterschickt. Deshalb könnte die Warnung des Königs an jedes Glied in dieser Kette gerichtet sein: d’Avaux (eher unwahrscheinlich), mich, meine Berater, die Mitglieder seines eigenen cabinet noir … oder Euch .«
»Mich? Warum sollte er ein kleines Nichts wie mich warnen wollen?«
»Ich erwähne Euch nur der Vollständigkeit halber.«
»Das nehme ich Euch nicht ab.«
Der Prinz von Oranien lachte. »Also gut. Ludwigs gesamtes System baut darauf auf, dass er den Adel arm und hilflos hält. Manchen von ihnen gefällt das, anderen nicht. Letztere suchen nach Wegen, zu Geld zu kommen. Je nach Größe ihres Erfolgs bedrohen sie den König. Warum, glaubt Ihr, geht die französische Ostindienkompanie immer wieder ein? Weil die Franzosen dumm sind? Sie sind nicht dumm. Beziehungsweise die Dummen werden nach Indien geschickt, weil Ludwig will, dass diese Kompanie eingeht. Eine Hafenstadt voller wohlhabender commerçants – ein London oder ein Amsterdam – ist ein Albtraum für ihn.
Nun haben manche dieser Adligen, die es nach Geld verlangt, ihr Augenmerk auf Amsterdam gelenkt und fangen an, die Dienste holländischer Börsenmakler in Anspruch zu nehmen. So ist Euer vormaliger Geschäftspartner, Mr. Sluys, zu seinem Vermögen gekommen. Der König ist erfreut darüber, dass Ihr Sluys ruiniert habt, denn er hat einige französische Grafen mit hineingerissen,
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