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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Araber ihre Fingernägel lang wachsen lassen. So verhält es sich auch mit dem Duc d’Arcachon und seinem einzigen ehelichen Sohn Étienne. Der Herzog überlebte den bösen Traum der Fronde und baute dem König eine Seestreitmacht auf. Étienne hat sich für eine Karriere in der Armee entschieden; das ist seine Vorstellung von jugendlicher Rebellion.
    Von manchen Männern sagt man, sie würden »sich eher die rechte Hand abhacken, als dies oder jenes zu tun«. Von Étienne hieß es, er würde eher eins seiner Gliedmaßen opfern als die geringste Regel der Etikette zu verletzen. Jetzt dagegen sagen die Leute, er habe sich tatsächlich aus lauter Höflichkeit die rechte Hand abgehackt, denn vor einigen Jahren sei auf einer Gesellschaft etwas passiert, was genau das zur Folge gehabt habe – die Schilderungen variieren allerdings, denn ich habe den Eindruck, dass es in gewisser Weise eine Schande für seine Familie war. Einzelheiten kenne ich nicht, aber die Geschichte insgesamt klingt wahr. Er ist Stammkunde von Holzschnitzern und Silberschmieden, die er bezahlt, damit sie ihm künstliche Hände machen. Manche davon sind schockierend echt. Die Hand, die er ausstreckte, um mir aus der Kutsche zu helfen, war aus Elfenbein geschnitzt, die Fingernägel dazu waren aus Perlmutt gemacht. Als wir in seinem Quartier gebratenes Waldhuhn speisten, hatte er sie gegen eine Hand aus geschnitztem Ebenholz ausgetauscht, die ständig ein Sägemesser umklammert hielt, mit dem er sein Fleisch schnitt, obwohl es aussah, als hätte es auch eine hervorragende Waffe abgegeben. Und als er sich nach dem Essen daran machte, mich zu verführen, trug er eine spezielle, aus Jade geschnitzte Hand mit einem ganz und gar überdimensionierten Mittelfinger. Genau genommen war dieser Finger die vollkommene Nachbildung eines erigierten männlichen Phallus. Als solches war er nichts, was ich nicht schon in verschiedenen »Kunst«-Sammlungen in und um Versailles gesehen hätte, denn vornehme Herren, ja sogar Damen, haben gerne zum Beweis ihrer feinen Art solche Dinge in ihren Privatgemächern, und viele ihrer Zimmer sind wahre Heiligtümer des Priapus. Ich wurde jedoch völlig überrascht durch ein verborgenes Charakteristikum dieser Hand: Sie muss hohl und mit einem Uhrwerk ausgefüllt gewesen sein, denn als Étienne d’Arcachon einen versteckten Hebel drückte, wurde sie plötzlich lebendig und fing an, wie eine Hornisse in einer Flasche zu summen und zu schwirren. Im Inneren befand sich, wie es schien, eine Schraubenfeder, die im Voraus fest angespannt worden war.
    Ich brauche Euch wohl kaum zu sagen, mein Leser, dass ich durch die Ereignisse der letzten Tage selbst ziemlich angespannt war, und ich kann Euch versichern, dass die Spannung aus meinem Körper längst gewichen war, als sie schließlich auch aus der Feder wich.
    Ihr mögt mich dafür verachten, dass ich mich der Sinnenlust hingab, während Dr. von Pfung durch einen Schlaganfall niedergestreckt war, aber nachdem ich die ganze Zeit mit einem sterbenden Mann in einer stickigen Kutsche eingepfercht gewesen war, lechzte ich jetzt danach, am Leben teilzuhaben. Als ich zum Höhepunkt kam, schloss ich die Augen und fiel auf das Bett zurück, entleerte meine Lunge in einem langen Schrei und spürte, wie die ganze Spannung aus meinem Körper schwand. Étienne vollführte ein geschicktes Manöver, von dem ich kaum etwas mitbekam. Als ich die Augen aufschlug, stellte ich fest, dass der Jadephallus herausgezogen und durch einen echten ersetzt worden war, den von Étienne d’Arcachon. Noch einmal, Ihr mögt an meinem Verstand zweifeln, der es mir erlaubt hat, mich auf diese Weise nehmen zu lassen. Das ist Euer gutes Recht. Einen solchen Mann zu heiraten, wäre in der Tat ein schwerer Fehler. Auf der Suche nach einem Liebhaber könnte man jedoch auf einen schlimmeren stoßen als einen, der sauber, ausgesprochen höflich und im Besitz eines wie verrückt vibrierenden Jadephallus anstelle des Mittelfingers ist. Die Wärme seines Leibes an meinen Oberschenkeln fühlte sich gut an; ich kam gar nicht darauf zu protestieren; bevor ich mir über meine Situation richtig im Klaren war, merkte ich, dass er bereits in mir zum Orgasmus kam.
    TAGEBUCHEINTRAG 12. SEPTEMBER 1688
    Immer noch in den Ardennen, schleppen uns nordwärts, rasten von Zeit zu Zeit, um die Bewegungen der französischen Bataillone zu beobachten. Diese Wälder können unmöglich noch lange weitergehen. Immerhin haben wir uns inzwischen an das

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