Quicksilver
Ufer fast erreicht, als ein französischer Offizier auf einem der nach Süden fahrenden Schiffe zu ihnen hinüberrief. Durch sein Fernglas hatte er an der Tür der Kutsche das aufgemalte Wappen Dr. von Pfungs gesehen und ihn als jemanden erkannt, der aus der Pfalz kam.
Nun hatte der Kutscher einen Brief von Étienne d’Arcachon, der ihm die Erlaubnis gab, nach Westen zu reisen – doch jetzt war er dabei beobachtet worden, wie er die Meuse ostwärts überquerte. Seine einzige Hoffnung bestand deshalb darin, sich aus dem Staub zu machen. Genau das versuchte er, als die Fähre am östlichen Ufer anlegte. Die einzige erreichbare Straße verlief ein ganzes Stück parallel zum Ufer, bevor sie vom Fluss weg in ein Dorf abbog. Deshalb musste er direkt an all den Schiffen vorbeifahren, die den Fluss bevölkerten und auf deren Decks es von französischen Musketieren wimmelte. Manche der Schiffe waren außerdem mit Drehbrassen bestückt. Mittlerweile hatte sich unter den Soldaten ein Mordsgeschrei erhoben, und während die Kutsche von der Fähre herunterfuhr, hatten sie jede Menge Zeit, ihre Waffen zu laden. Der Offizier hatte sein Fernglas gegen einen Säbel eingetauscht, den er hochhielt und dann als Signal nach unten schwang. Im selben Augenblick verschwanden die französischen Schiffe vollständig in Wolken von Pulverdampf. Das Tal der Meuse war von Vogelschwärmen erfüllt, die, durch den Lärm der Schusswaffen aufgeschreckt, von den Bäumen aufgeflogen waren. Die Kutsche war zu Splittern zerkleinert, die Pferde waren zerrissen und die Geschicke des tapferen Kutschers und seines leidgeprüften Passagiers vollkommen offensichtlich.
Ich hätte an Ort und Stelle verweilen und lange weinen können, aber an diesem Ufer hielten sich einige Einheimische auf, die uns in Begleitung der Kutsche hatten ankommen sehen, und es würde nicht lange dauern, bis einer von ihnen diese Information an die Franzosen auf dem Fluss verkaufte. So machten wir uns auf die Reise nach Norden, die auch jetzt, da ich diese Worte schreibe, noch andauert.
TAGEBUCHEINTRAG 13. SEPTEMBER 1688
Die Bauern hier in der Gegend sagen, der Herr des Landguts sei ein Bischof. Das lässt mich hoffen, dass wir jetzt im Bistum Liège und damit nicht mehr so schrecklich weit von einem der Ausläufer der Holländischen Republik entfernt sind. Hans und Joachim hatten eine lange Diskussion in Deutsch, was ich nur bruchstückhaft verstehe. Der eine meint, er sollte allein nach Osten bis zum Rhein reiten, dann in südlicher Richtung kehrtmachen und die Pfalz warnen. Der andere fürchtet, dazu sei es zu spät; es gebe nichts, was sie noch für ihre Heimat tun könnten; es sei besser, Rache zu üben, indem sie ihre ganze Energie hinter den Verteidiger des protestantischen Glaubens stellten.
Später. Der Streit wurde so beigelegt: Wir werden, vorbei an den französischen Linien, in Richtung Norden nach Maastricht reiten und auf einem Kanalschiff flussabwärts nach Nijmegen fahren, dorthin, wo die Meuse und der Rhein sich fast küssen. Das ist ein paar Hundert Meilen von hier entfernt und dennoch ist es vielleicht ein schnellerer Weg zum Rhein, als wenn wir durch Gott weiß welche Gefahren und Komplikationen nach Osten über Land abkürzten. In Nijmegen können Hans und Joachim dann die neuesten Informationen von Passagieren und Bootsführern bekommen, die unlängst auf dem Rhein aus Heidelberg und Mannheim gekommen sind.
Wir brauchten, nachdem wir unser Lager in der Nähe von Liège verlassen hatten, nicht lange, um aus dem Bereich der französischen Militärkontrolle herauszukommen. Wir ritten durch ein aufgewühltes Gelände, das bis vor wenigen Tagen noch das Standquartier eines französischen Regiments gewesen war. Vor uns liegen entlang der Grenze ein paar französische Kompanien, die gleichsam als Fassade zurückgelassen wurden. Reisende, die hineinwollen, werden von ihnen angehalten und ausgefragt, während solche wie wir, die nur hinaus in Richtung Maastricht wollen, unbehelligt bleiben.
TAGEBUCHEINTRAG 15. SEPTEMBER 1688
Auf einem Kanalschiff von Maastricht nach Nijmegen. Umstände nicht sehr komfortabel, aber wenigstens müssen wir nicht mehr reiten oder zu Fuß gehen. Erneuere meine Bekanntschaft mit Seife.
TAGEBUCHEINTRAG 16. SEPTEMBER 1688
Ich befinde mich in einer Kabine eines Kanalschiffs, das sich in westlicher Richtung durch die Holländische Republik arbeitet.
Ich bin umgeben von schlummernden Prinzessinnen.
Die Deutschen haben eine Vorliebe
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