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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Wertminderung ausgegeben worden sein könnten, als sich die Preise verdoppelten, ehe Sir Thomas Gresham die Dinge in den Griff bekam.«
    »Die Inflation entstand nicht, weil die Münzen abgewertet wurden, wie manche glauben«, sagte Daniel, »sondern weil der in den papistischen Klöstern konfiszierte Reichtum und billiges Silber aus den Minen Neu-Spaniens das Land überschwemmten.«
    »Wenn Ihr mir erlauben würdet, mich diesen Münzen auf zehn Fuß zu nähern, so würde mir das helfen, ihre numismatische Vortrefflichkeit zu würdigen«, sagte der Linsenschleifer. »Ich könnte sogar einige meiner Vergrößerungsgläser benutzen, um...«
    »Ich fürchte, das würde mich kränken«, sagte Isaac.
    »Ihr könntet diese hier noch so genau untersuchen«, sagte Daniel, »und würdet keinerlei Anzeichen für kriminelle Pfuschereien finden – ich habe sie von einem blinden Schankwirt mit Frostbeulen an den Fingerspitzen bekommen – er hatte keine Ahnung, was er mir da gab.«
    »Ist ihm denn nicht in den Sinn gekommen, darauf zu beißen? So etwa?«, fragte die Person judaischen Glaubens, nahm den Shilling und klemmte ihn sich zwischen die Backenzähne.
    »Was hätte er daraus wohl entnehmen können, Sir?«
    »Dass der Falschmünzer, der die Münze prägte, leidlich gutes Metall verwendet hat – nicht über fünfzig Prozent Blei.«
    »Wir wollen das als boshaften Scherz auffassen«, sagte Daniel, »wie Ihr ihn niemals gegen diesen Shilling hier richten könntet, den mein Halbbruder auf dem Schlachtfeld von Naseby auf dem Boden gefunden hat, und zwar nicht weit von den Überresten eines royalistischen Hauptmanns, den eine explodierende Kanone in Stücke gerissen hatte – der Tote war, müsst Ihr wissen, ein Hauptmann, der einst am Tower von London Wache gestanden hatte, wo neue Münzen geprägt werden.«
    Der Jude wiederholte die Beißzeremonie und kratzte dann an der Münze, falls es sich um ein mit Silberfarbe lackiertes Stück Messing handelte. »Wertlos. Aber ich schulde einem bösen Menschen in London, einem Judenhasser, einen Shilling und würde den Gegenwert an Befriedigung daraus ziehen, wenn ich ihm dieses Stück Roheisen unterschieben könnte.«
    »Nun gut denn -«, sagte Isaac und griff nach den Prismen.
    »Eifrige Sammler wie Ihr beide habt gewiss auch Pennies -?«
    »Mein Vater pflegt zu Weihnachten glänzende neue zu verschenken«, begann Daniel. »Vor drei Jahren -« Doch er unterbrach die Anekdote, als er bemerkte, dass der Linsenschleifer seine Aufmerksamkeit nicht ihm, sondern einem Durcheinander hinter ihnen schenkte.
    Daniel drehte sich um und sah, dass es sich um einen ziemlich betuchten Mann handelte, der Mühe hatte zu gehen, obwohl ein Freund und ein Diener ihn stützten. Er verspürte offenbar den starken Drang, sich hinzulegen, was ausgesprochen seltsam war, da er knöcheltief im Schlamm watete. Der Diener schob eine Hand zwischen Oberarm und Brustkorb des Mannes, um ihn aufrecht zu halten, doch dieser kreischte auf wie eine Katze, die unter ein Karrenrad geraten ist, zuckte zurück und landete der Länge nach auf dem Rücken, was eine sargförmige Schlammwelle aufwarf, die noch in einigen Ellen Entfernung alles bespritzte.
    »Nehmt Eure Prismen«, sagte der Kaufmann und stopfte sie Isaac förmlich in die Tasche. Er begann seinen Schaukasten zusammenzuklappen. Wenn es ihm so wie Daniel ging, dann war es nicht so sehr der Anblick eines Kranken oder zu Boden Stürzenden, der ihn veranlasste, zusammenzupacken und zu gehen, sondern der Klang dieses Schreis.
    Isaac ging mit dem vorsichtigen, aber direkten Schritt eines Seiltänzers auf den Mann zu.
    »Wollen wir nach Cambridge zurückkehren?«, schlug Daniel vor.
    »Ich bin ein wenig in den Künsten des Apothekers bewandert«, sagte Isaac. »Vielleicht könnte ich ihm helfen.«
    Ein Kreis von Leuten hatte sich gebildet, die den Kranken betrachteten, aber es war ein sehr weiter Kreis, der bis auf Isaac und Daniel leer war. Mittlerweile versuchte der Mann anscheinend, sich die Hosen auszuziehen. Weil aber seine Arme steif waren, versuchte er sich aus seinen Kleidern herauszuwinden. Sein Diener und sein Freund zerrten an den Aufschlägen, aber die Hosen schienen an seinen Beinen festgeschrumpft zu sein. Schließlich zog der Freund seinen Dolch, schlitzte die Aufschläge links und rechts an und riss dann die Hosenbeine von unten bis oben auf – vielleicht sprengte sie aber auch die Kraft der anschwellenden Oberschenkel. Jedenfalls lösten sie sich. Freund

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