Quicksilver
stieg dabei geziert über einen portugiesischen Seemann mit Holzbein hinweg, der, eine leere Ginflasche in den Armen, besinnungslos auf einem Strohhaufen lag. Diese und andere Einzelheiten, wie etwa der malaiisch aussehende Herr an der Eingangstür, der Bhang rauchte, vermittelten Daniel das Gefühl, dass das Red Cow eine gründliche Suche verdiente.
Wie auf einem Schiff, wenn erschöpfte Matrosen von den Rahen herabklettern und Hängematten aufsuchen, die noch warm sind von den Männern, die sie ablösen, so zockelten die späten Zecher hinaus, und ihre Plätze wurden von Männern unterschiedlicher Wasserberufe eingenommen, die auf einen Schluck und einen Happen hereinschauten.
Doch es gab einen Burschen in der hinteren Ecke, der sich nicht rührte. Eine dunkle, finstere Erscheinung, ein Klumpen Blei auf einer Planke, das Gesicht in Schatten verborgen – entweder vollkommen besinnungslos oder hellwach. Seine Hand lag locker um ein Glas, das vor ihm auf dem Tisch stand, die Haltung eines Menschen, der noch viele Stunden sitzen muss und das damit rechtfertigt, dass er sich an einem Glas festhält. Das Licht einer Kerze fiel auf seine Hand. Sein Daumen zitterte.
Daniel ging zum Ausschank in der anderen Ecke der Stube, der nur wenig größer war als ein Krähennest. Er bestellte einen Schnaps und bezahlte für zehn. »Der Bursche dort«, sagte er und deutete mit den Augen die Richtung an, »ich wette ein Pfund mit Euch, dass das ein ganz gewöhnlicher Mann ist – so gewöhnlich wie die Luft.«
Der Schankwirt war ein Mensch von ungefähr sechzig Jahren, so unverfälscht englisch wie die Milchmagd, mit weißem Haar und rotem Gesicht. »Es wäre Diebstahl, wenn ich die Wette annähme, denn Ihr habt nur seine Kleider gesehen – die in der Tat gewöhnlich sind – ich dagegen habe seine Stimme gehört – und die ist alles andere.«
»Dann setze ich ein Pfund darauf, dass er ein Naturell hat so lieblich wie Sahne.«
Der Schankwirt machte ein gequältes Gesicht. »Es schmerzt mich, Eure närrischen Wetten abzulehnen, aber auch hier habe ich Kenntnis vom Gegenteil, sodass es unfair von mir wäre.«
»Ich wette ein Pfund mit Euch, dass er die prächtigsten Augenbrauen hat, die Ihr je gesehen habt – Augenbrauen, die ohne weiteres als Topfkratzer dienen könnten.«
»Als er hereinkam, hatte er den Hut tief ins Gesicht gezogen und den Kopf gesenkt – seine Augenbrauen habe ich nicht gesehen – ich würde sagen, die Wette gilt, Sir.«
»Wärt Ihr so freundlich?«
»Macht es Euch bequem, Sir, ich schicke meinen Jungen nachsehen – wenn Ihr Zweifel habt, könnt Ihr einen zweiten schicken.«
Der Schankwirt drehte sich um, hielt einen Burschen von ungefähr zehn Jahren am Arm fest, beugte sich hinab und sprach kurz mit ihm. Der Junge ging direkt zu dem Mann in der Ecke und sagte ein paar Worte zu ihm, wobei er auf das Glas deutete; der Mann ließ sich nicht einmal dazu herab zu antworten, sondern hob lediglich die Hand, wie um den Jungen zu ohrfeigen. Einen Moment lang fing sich das Licht in einem schweren Goldring. Der Junge kam zurück und sagte etwas in so breitem Argot, dass Daniel nicht folgen konnte.
»Tommy sagt, Ihr schuldet mir ein Pfund«, sagte der Schankwirt.
Daniels Schultern sackten herab. »Seine Augenbrauen waren nicht buschig?«
»So lautete die Wette nicht. Seine Augenbrauen sind nicht buschig, so lautete die Wette. Waren nicht buschig, hat nichts damit zu tun!«
»Ich kann Euch nicht folgen.«
»Hinter dieser Theke habe ich einen Schlehdornknüttel, der unsere Wette bezeugen kann, und der sagt, Ihr schuldet mir ein Pfund, und wenn Ihr noch so viele Ausflüchte macht!«
»Ihr könnt Euren Knüttel ruhig weiterdösen lassen, Sir!«, sagte Daniel. »Ihr sollt das Pfund haben. Ich bitte Euch nur, Euch zu erklären.«
»Vielleicht hat er gestern noch buschige Augenbrauen gehabt, was weiß ich«, sagte der Schankwirt und beruhigte sich ein wenig, »aber jetzt hat er jedenfalls überhaupt keine mehr. Nur noch Stoppeln.«
»Er hat sie abrasiert!«
»Es steht mir nicht an zu spekulieren, Sir«
»Hier habt Ihr Euer Pfund.«
»Danke, Sir, aber ich hätte gern eines mit dem vollen Gewicht und aus Silber, nicht dieses Fälschergemisch...«
»Gemach, ich kann Euch etwas Besseres geben.«
»Eine bessere Münze? Dann her damit.«
»Nein, ein besseres Geschäft. Wie würde es Euch gefallen, wenn dieses Lokal auf hundert Jahre oder mehr dafür berühmt wäre, dass hier ein infamer Mörder zur
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