Quicksilver
Rechenschaft gezogen wurde?«
Nun war es an dem Schankwirt zusammenzusacken. Sein Gesicht machte deutlich, dass er am liebsten überhaupt keine infamen Mörder im Haus hätte. Aber Daniel bedachte ihn mit ermutigenden Worten und brachte ihn dazu, den Jungen eilends die Straße hinauf zum Tower zu schicken und selbst mit dem Knüttel am Hinterausgang Aufstellung zu nehmen. Ein Blick reichte aus, Bob Shaftoe in der Nähe des Vordereingangs aufspringen zu lassen. Dann nahm Daniel ein brennendes Holzscheit aus dem Herd, ging damit quer durch die Schankstube und schwenkte es schließlich hin und her, sodass es aufflammte und die dunkle Ecke mit Licht erfüllte.
»In der Hölle sollst du schmoren, du Scheißkerl, Daniel Waterhouse! Verräterisches Hurenschwein, hosenpissender Feigling! Wie kannst du es wagen, dich einem Edelmann derart aufzudrängen! Kraft welcher Autorität! Ich bin ein Baron, so wie du ein greinender Abtrünniger bist, und Wilhelm von Oranien ist kein Cromwell, kein Republikaner, sondern ein Prinz, ein Edelmann wie ich! Er wird mir die Achtung erweisen, die ich verdiene, und dir die Verachtung, die du verdienst, und du wirst es sein, der Jack Ketchs Klinge im Nacken spüren und wie ein geprügelter Hund im Tower krepieren wird, wie es dir gebührt!«
Daniel wandte sich den anderen Gästen in der Schänke zu – nicht so sehr dem komatösen Bodensatz der zurückliegenden Nacht, sondern den frühstückenden Fähr- und Seeleuten. »Ich bitte um Verzeihung wegen der Störung«, verkündete er. »Habt Ihr von Jeffreys gehört, dem Richter, der so rasch mit Todesurteilen bei der Hand ist, demjenigen, der die Bäume in Dorset mit den Körpern gewöhnlicher Engländer geschmückt und englische Schulmädchen in die Leibeigenschaft verkauft hat?«
Jeffreys sprang so rasch auf, dass er den Tisch umwarf, und stürzte auf den nächsten Ausgang, nämlich die Hintertür zu; doch der Schankwirt hob mit beiden Händen den Knüttel und holte aus wie ein Holzfäller, der sich anschickt, einen Axthieb gegen einen Baum zu führen. Jeffreys kam schlurfend zum Stehen, machte kehrt und steuerte den Vordereingang an. Bob Shaftoe ließ ihn Tempo gewinnen und ein paar Sekunden Hoffnung hegen, ehe er sich von der Seite vor die Tür schob und einen Dolch aus seinem Stiefel riss. Jeffreys konnte eben noch abbremsen, ehe er sich daran aufspießte; und Bobs gleichmütige Miene machte deutlich, dass er die Spitze nicht weggedreht hätte.
Mittlerweile waren die Gäste allesamt aufgesprungen und hatten begonnen, unter ihre Kleidung zu greifen, wodurch sie den Aufbewahrungsort diverser Dolche, Totschläger und anderer Gebrauchsgegenstände verrieten. Aber sie taten dies, weil sie verwirrt waren, nicht weil sie bereits eindeutige Vorsätze gefasst hätten. Was das anging, erwarteten sie noch immer Hilfe von Daniel.
»Der Mann, von dem ich spreche und dessen Namen Ihr alle kennt, der Mann, der für die Blutigen Assisen und viele andere Verbrechen verantwortlich ist, für die er bis zu diesem Augenblick nie auch nur im Entferntesten glaubte, bezahlen zu müssen – George Jeffreys, Baron von Wem, ist er.« Und Daniel richtete den Finger wie eine Pistole auf das Gesicht von Jeffreys, dessen Augenbrauen, wenn er noch welche gehabt hätte, entsetzt hochgeschossen wären. So aber war sein Gesicht auf seltsame Weise bar jeden Ausdrucks und seiner alten Macht, Daniels Gefühle zu wecken. Nun vermochte nichts mehr, was er mit diesem Gesicht tun konnte, Daniel dazu bringen, dass er ihn fürchtete, bemitleidete oder von ihm verzaubert wurde. Das aber hieß, zwei Augenbrauen mehr Macht zuzuschreiben, als im Grunde vernünftig war, und deshalb musste es mit etwas anderem zu tun haben; mit einer Veränderung bei Jeffreys oder bei Daniel.
Nun kamen allmählich die Dolche und Totschläger zum Vorschein – nicht um benutzt zu werden, sondern um Jeffreys in Schach zu halten. Zum ersten Mal, seit Daniel ihn kannte, war Jeffreys sprachlos. Er konnte nicht einmal mehr fluchen.
Daniel fing Bobs Blick auf und nickte. »Viel Glück, Sergeant Shaftoe, ich hoffe, Ihr rettet Eure Prinzessin.«
»Das hoffe ich auch«, sagte Bob, »aber ob ich den Versuch überlebe oder dabei draufgehe, vergesst nicht, dass ich Euch geholfen habe; aber Ihr habt mir bis jetzt noch nicht geholfen.«
»Weder habe ich es vergessen, noch werde ich es je vergessen. Bewaffnete Männer querfeldein zu verfolgen ist nichts, worauf ich mich sonderlich gut verstehe, sonst würde ich
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