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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Gelächter und die parlamentarischen Kläffgeräusche verstummt waren, fuhr er ebenso getragen fort: »Die Alchimie hat zu unserer Zeit so manches Wunder gewirkt, und einige ihrer hervorragendsten Vertreter versichern mir, dass sie binnen weniger Jahre erreicht haben wird, was seit Jahrtausenden das höchste Ziel jedes Alchimisten ist: nämlich, uns die Immoralität zu schenken!«
    Nun affektierte Roger eine Miene äußerster Verblüffung, als das Zimmer sich in ein wahres Irrenhaus verwandelte. Daniel warf unwillkürlich einen kurzen Blick zu Isaac hinüber, dem letzten Menschen auf der Welt, der an einem Scherz über die Alchimie oder die Immoralität irgendetwas komisch fände. Doch Isaac lächelte nur und wechselte einen Blick mit Fatio.
    Roger legte eine Hand hinters Ohr, lauschte aufmerksam und gab sich dann verblüfft. »Was!? Ihr sagt, es muss Immortalität heißen?« Nun stellte er sich empört und deutete mit dem Finger auf Boyle. »Werter Herr, mein Anwalt wird Euch morgen früh aufsuchen und sich darum kümmern, dass ich mein Geld zurückbekomme!«
    Das Publikum war mittlerweile vollkommen hilflos, und genauso mochte Roger sein Publikum. Es konnte nur darauf warten, dass er fortfuhr, was er mit dem größten Vergnügen tat: »Auf dem Weg zu diesem großen Ziel haben die Alchimisten kleinere Wunder zustande gebracht. Unter denjenigen, die Schankwirtschaften aufsuchen, ist es – wie ich höre – empirisch bekannt, dass geistige Getränke häufig mit unerwünschten und ungesunden Beimischungen verunreinigt sind. Deren bei weitem widerwärtigste ist Wasser, das die Blase aufbläht und den Trinker nötigt, ins Freie zu treten, wo er Kälte, Regen, Wind und den missbilligenden Blicken von Nachbarn und Passanten ausgesetzt ist, bis er die Blase geleert hat – was im Falle unseres Ehrengastes bis zu vierzehn Tagen dauern kann!«
    »Zu meiner Verteidigung kann ich nur vorbringen, dass ich in diesen vierzehn Tagen Zeit habe, nüchtern zu werden«, erwiderte Daniel, »und wenn ich dann wieder hineingehe, muss ich feststellen, dass Ihr alle Gläser geleert habt, Mylord.«
    »Das stimmt«, antwortete Roger Comstock. »Ich gebe den Inhalt dieser Gläser unseren alchimistischen Brüdern, die ihn bei ihren gelehrten Untersuchungen verwenden. Sie haben gelernt,Wasser aus Wein zu entfernen und den reinen Geist zu erzeugen. Aber das klingt allmählich wie eine theologische Abhandlung, und so will ich mich wieder praktischen Dingen zuwenden.« Roger hob das Becherglas über seinen Kopf. »Bitte löscht alle rauchenden Stoffe, meine Herren! Wir möchten kein Feuer an Mr. Hookes Gebäude legen. Die Insassen würden so erschrecken, dass sie mit einem Schlag gesund würden. In meiner Hand halte ich den von mir erwähnten reinen Geist, und er könnte das Haus niederbrennen wie griechisches Feuer. Es wird große Gefahr von ihm ausgehen, bis unser Ehrengast so umsichtig war, ihn in seinem Bauch unter Verschluss zu nehmen. Auf Euer Wohl, Daniel; und seid versichert, dass dieser Trank Euch ganz gewiss zu Kopfe steigen, aber kein Tropfen davon Eure Nieren behelligen wird!«
    Mitten unter der Kuppel hatte man, wie einen Thron, auf einem Podest einen sehr robusten Eichenstuhl aufgestellt, was Daniel ausgesprochen rücksichtsvoll fand, da er so mit den anderen Anwesenden auf eine Höhe kam oder sie sogar überragte. Es war seit einer Ewigkeit das erste Mal, dass er mit jemandem reden konnte, ohne das Gefühl zu haben, man sähe auf ihn herab. Sobald er auf diesem Stuhl untergebracht und mit ein paar Kissen in mehr oder weniger aufrechter Haltung fixiert worden war, musste er außer seinem Kiefer und seinem Trinkarm nichts mehr bewegen. Die anderen kamen allein und zu zweien, um ihm ihre Aufwartung zu machen.
    Wren sprach von den Fortschritten beim Bau der großen Kuppel von St. Paul. Edmund Palling berichtete Einzelheiten von der für April geplanten Reise nach Massachusetts. Hooke ließ sich, wenn er nicht gerade mit Huygens über Uhren diskutierte (und Roger Comstocks anzügliche Wortspiele mit dem Begriff »Horologion« abwehrte) über seine Arbeit an künstlichen Muskeln aus. Er sagte nicht, dass sie bei Flugmaschinen Verwendung finden sollten, aber das wusste Daniel schon. Isaac Newton wohnte inzwischen in London, teilte sich ein Quartier mit Fatio und war Parlamentsabgeordneter für Cambridge geworden. Roger sprudelte von Klatschgeschichten über. Sterling war zusammen mit Sir Richard Apthorp dabei, irgendein Komplott zu

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