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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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wilden Haferpflanze; ein Brennglas in einem Holzrahmen; eine stark konvexe Brille zum Gebrauch unter Wasser; sein Tausammelglas 12 und eine Auswahl aus seiner umfassenden Sammlung von Blasen: Karpfen, Schwein, Kuh usw. Er wollte außerdem riesige, vollkommen unsinnige Mengen von Kugeln unterschiedlicher Größe und unterschiedlichen Materials wie etwa Blei, Bernstein, Holz, Silber usw., mit denen man allerlei Roll- und Fallversuche anstellen konnte. Außerdem diverse Ersatzteile für seine Luftkompressionsmaschine sowie sein künstliches Auge. Und schließlich hatte er Daniel noch gebeten, »allfällige Welpen, junge Katzen, Küken oder Mäuse, auf die Ihr stoßen mögt, mitzubringen, da an denselben hierorts beträchtlicher Mangel herrscht«.
    Trotz der jüngsten Schwierigkeiten hatte sich hier einiges an Post angehäuft, die großenteils schlicht an »GRUBENDOL London« adressiert war. Gemäß Wilkins’ Anweisungen sammelte Daniel sie ein und fügte sie dem bereits vorhandenen Stapel hinzu. Die an GRUBENDOL adressierten Sachen jedoch sortierte er aus und verschnürte sie zu einem kleinen Päckchen.
    Nun war er bereit, London zu verlassen, und brauchte nur noch Geld und eine Möglichkeit, diesen ganzen Kram zu transportieren. Er ging Bishopsgate wieder hinunter (wobei er zunächst alles im Gresham’s College zurückließ, bis auf die Frösche, die man genau im Auge behalten musste), bog auf die Threadneedle ein, der er nach Westen folgte, wo sie mit Cornhill zusammenlief. Kurz vor dem Schnittpunkt standen ein paar Reihenhäuser, die eine Front nach beiden Straßen hatten. Wie selbst ein Analphabet dank der mit Musketen bewaffneten, Pfeife rauchenden Männer auf den Dächern hätte erraten können, gehörten sie allesamt Goldschmieden. Daniel ging zu dem mit dem Schild HAM BROS. In einem Fenster neben der Tür waren ein paar Schmuckstücke und Teller aus Gold ausgestellt, wie um anzudeuten, dass die Hams tatsächlich noch buchstäblich Gegenstände aus Gold anfertigten.
    Ein Gesicht hinter einem Gitter. »Daniel!« Das Gitter wurde zugeschlagen und verriegelt, die Tür ächzte und schepperte, als würden auf ihrer Innenseite gewaltige Eisenteile bewegt und zurückgeschoben. Schließlich war sie offen. »Willkommen!«
    »Guten Tag, Onkel Thomas.«
    »Halbschwager, um genau zu sein«, sagte Thomas Ham aus der hartnäckigen Überzeugung heraus, dass sich Pedanterie und ständige Wiederholung durch irgendeinen alchimistischen Prozess in Esprit umschmelzen ließen. Pedanterie, weil er streng genommen Recht hatte (er hatte Daniels Halbschwester geheiratet) und ständige Wiederholung, weil er denselben Witz schon so lange machte, wie Daniel am Leben war. Ham war mittlerweile über sechzig und gehörte zu den Leuten, die zugleich fett und mager sind – ein erstaunlicher Spitzbauch, aufgehängt an einer schmächtigen Armierung, wabbelnde Hängebacken in einem Gesicht wie eine scharfe Waffe. Er hatte Glück gehabt, die schöne Mayflower Waterhouse zu erobern, jedenfalls wiegte man ihn in dem Glauben.
    »Ich bin erschrocken, als ich die Straße heraufkam – ich dachte, dass du Leute begräbst«, sagte Daniel und deutete auf mehrere Erdhaufen um das Fundament des Hauses.
    Ham blickte prüfend die Threadneedle auf und ab – als wäre das, was er da tat, vor irgendjemandem geheim zu halten. »Wir bauen eine andere Art von Krypta«, sagte er. »Komm, tritt ein. Was quakt da in dem Korb?«
    »Ich habe eine Stelle als Träger angenommen«, sagte Daniel. »Hast du einen Handkarren oder eine Schubkarre, die ich für ein paar Tage leihen könnte?«
    »Ja, einen sehr schweren und stabilen – wir befördern damit Kassetten von hier zur Münze und zurück. Er ist seit Beginn der Pest nicht mehr benutzt worden. Natürlich kannst du ihn haben.«
    Das Empfangszimmer enthielt noch ein paar ärmliche Requisiten eines Juwelierladens, bestand im Grunde aber nur aus einem großen Schreibtisch und einigen Büchern. Eine Treppe führte zur Wohnung der Hams in den oberen Stockwerken – dunkel und stumm. »Mayflower und die Kinder sind in Buckinghamshire wohlauf?«, fragte Daniel.
    »So Gott will, ja, ihr letzter Brief hat mich sehr beruhigt. Komm mit nach unten!« Onkel Thomas führte ihn durch eine weitere Festungstür, die mithilfe eines Keils offen gehalten wurde, und über eine schmale Treppe hinunter in die Erde – zum ersten Mal, seit er das Haus seines Vaters verlassen hatte, roch Daniel nichts Schlechtes, nur den unaufdringlichen Duft

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