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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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ein jedes Mitglied nicht nach seinem Stande Achtung genoss, sondern nach seinen Untersuchungen der Naturrätsel und nach den noch so geringfügigen Neuerungen, die sich seiner Erfindung verdankten: Sodass ein Wahnsinniger, der sich auf der vergeblichen Suche nach dem Stein der Weisen mit seinen Blasebälgen und Öfen an den Bettelstab gebracht, oder der verrückte Arzt, der in dem Bemühen, aus dem Staub und der Asche eines abgebrannten Heuschobers jenes unfehlbare Allheilmittel Sal Graminis herauszuziehen, sein Erbteil durchgebracht hatte, hier ebenso viel galten wie jene technischen Könner, die, um sich als Virtuosos zu erweisen, in ihren Dachkämmerlein saßen und Elfenbein drehten, während ihre Damen unten mithilfe ihrer Vettern Hörner für ihre Familien schufen.
Ned Ward, The Vertuoso’s Club
    Die Blätter verfärbten sich, in London wütete die Pest noch schlimmer. Binnen einer Woche starben achttausend Menschen. Ein paar Meilen entfernt, in Epsom, hatte Wilkins seine Abschweifung über die Arche abgeschlossen und begann, eine Grammatik und ein Schreibsystem für seine Philosophische Sprache zu entwerfen. Daniel brachte dieses und jenes zu Ende, z.B. nautische Gegenstände: Fugen und Nähte, Racks, Setzweger, Rahtakel, Geitaue und Flaggenleinen. Seine Gedanken schweiften.
    Im Erdgeschoss ein seltsamer Zupflaut, wie wenn jemand endlos eine Laute stimmt. Er ging nach unten und traf dort Hooke an, dem einige Zoll Federkiel aus dem Ohr ragten und der eine Saite zupfte, die über einen Holzkasten gespannt war. Es war bei weitem nicht das Seltsamste, was Hooke je getan hatte, und so beschäftigte sich Daniel eine Zeit lang mit dem Versuch, Wilkins’ Harngrieß in diversen Flüssigkeiten aufzulösen. Hooke zupfte und summte weiter vor sich hin. Schließlich ging Daniel nachsehen.
    Auf dem Ende des Federkiels, der in Hookes Ohr steckte, saß eine Stubenfliege. Daniel versuchte sie zu verscheuchen. Ihre Flügel schwirrten, aber sie rührte sich nicht. Daniel sah genauer hin und erkannte, dass sie festgeklebt worden war.
    »Macht das noch einmal, das verschafft mir eine andere Tonhöhe«, verlangte Hooke.
    »Ihr könnt die Flügel der Fliege hören?«
    »Sie summen auf einer bestimmten, festen Tonhöhe. Wenn ich diese Saite« – zupf, zupf – »auf dieselbe Höhe stimme, weiß ich, dass sie und die Flügel der Fliege auf derselben Frequenz schwingen. Ich weiß bereits, wie man die Frequenz der Schwingung einer Saite bestimmt – daher weiß ich auch, wie oft pro Sekunde eine Fliege mit den Flügeln schlägt. Nützliche Daten, falls wir jemals eine Flugmaschine bauen sollten.«
    Der Herbstregen weichte das Feld auf und machte den Wagen-Experimenten ein Ende. Charles Comstock musste sich andere Beschäftigungen suchen. Er hatte sich in diesem Jahr in Cambridge immatrikuliert, aber Cambridge war für die Dauer der Pest geschlossen. Wilkins, vermutete Daniel, war als Gegenleistung für seinen Aufenthalt hier in Epsom verpflichtet, Charles in Naturphilosophie zu unterrichten. Größtenteils aber war der Unterricht nicht zu unterscheiden von stumpfsinnigen Arbeiten für Wilkins’ diverse Experimente, die (nun, da sich das Wetter geändert hatte) weitgehend im Keller des Cottage durchgeführt wurden. Wilkins ließ eine Kröte in einem Glas verhungern, um festzustellen, ob neue Kröten daraus wachsen würden. Ein Karpfen lebte dort auf dem Trockenen und wurde mit angefeuchtetem Brot gefüttert; Charles fiel die Aufgabe zu, ihm mehrmals am Tag die Kiemen anzufeuchten. Die Ameisenfrage des Königs hatte Wilkins zu einem Experiment veranlasst, das er schon lange hatte durchführen wollen: Binnen kurzem hatten sie unten im Keller, zwischen der verhungernden Kröte und dem Karpfen, eine Made, so groß wie der Oberschenkel eines Menschen, die mit verfaultem Fleisch gefüttert und einmal am Tag gewogen werden musste.Weil sie zu riechen begann, wurde sie hinausgeschafft, in einen dem Wind abgekehrten Schuppen. Außerdem hatte Wilkins eine ganze Reihe von Experimenten zur Erzeugung von Fliegen und Würmern aus verderbendem Fleisch, Käse und anderen Substanzen begonnen. Jeder wusste oder glaubte zu wissen, dass sie spontan entstanden. Doch Hooke hatte mit seinem Mikroskop auf der Unterseite bestimmter Blätter winzige Teilchen entdeckt, die sich zu Insekten entwickelten, und im Wasser winzige Eier gefunden, die sich zu Mücken entwickelten, und das hatte ihn auf den Gedanken gebracht, dass vielleicht alle Dinge, von denen man

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