Quicksilver
genug. Aber wenn man eine Uhr baute, angetrieben von einem Pendel in einem luftdichten Glasgefäß, sodass Veränderungen der Feuchtigkeit und des baroskopischen Drucks ihre Geschwindigkeit nicht beeinflussten... und wenn man diese Uhr lange Zeit auf dem Grunde eines Brunnens laufen ließe... dann würde sich jeder Unterschied im Gewicht des Pendels als Verlangsamung oder Beschleunigung der Uhr bemerkbar machen.«
»Aber woher wüsstet Ihr, dass sie langsam oder schnell läuft?«, fragte Daniel. »Ihr müsstet sie mit einer anderen Uhr vergleichen.«
»Oder zur Erdumdrehung in Beziehung setzen«, sagte Hooke. Aber Daniels Frage hatte ihn offenbar in düstere Stimmung versetzt, und er sagte nichts mehr, bis sie nach Mitternacht Epsom erreicht hatten.
Nachts fiel die Temperatur immer häufiger unter den Gefrierpunkt, und so wurde es Zeit, die Thermometer zu eichen. Daniel, Charles und Hooke stellten sie schon seit einigen Wochen aus ellenlangen Glasröhren her, gefüllt mit Weingeist, der mit Koschenille gefärbt war. Aber sie trugen noch keine Markierungen. In kalten Nächten packten sich die Naturphilosophen warm ein, tauchten diese Thermometer in Bottiche mit destilliertem Wasser, saßen dann unter gelegentlichem Rühren in den Bottichen stundenlang herum und warteten.Wenn das Wasser gefror, konnten sie, falls sie aufmerksam lauschten, ein leises Knacken und Splittern aus dem Zuber dringen hören, während Eisflocken über die Oberfläche schossen – dann rafften sie sich auf und brachten mithilfe von Diamanten auf jeder Röhre feine Kratzer an, die den Stand der Flüssigkeit in ihrem Inneren markierten.
Hooke bewahrte ein viereckiges Stück Samt im Freien auf, damit es kalt blieb. Wenn es tagsüber schneite, nahm er sein Mikroskop mit nach draußen, breitete das Stück Samt über den Objekttisch und betrachtete die Schneeflocken, die darauf fielen. Daniel erkannte ebenso wie Hooke, dass jede einzigartig war. Aber Hooke sah abermals etwas, was Daniel entging: »Bei jeder einzelnen Schneeflocke sind alle sechs Arme gleich – warum ist das so? Warum entwickelt sich nicht jeder der sechs Arme zu einer anderen, einzigartigen Gestalt?«
»Es muss hier wohl irgendein zentrales Ordnungsprinzip wirken, aber -?«
»Das ist so offensichtlich, dass man nicht eigens darauf hinweisen muss«, sagte Hooke. »Mit besseren Linsen könnten wir in den Kern einer Schneeflocke hineinschauen und dieses Prinzip wirken sehen.«
Eine Woche später öffnete Hooke den Thorax eines lebenden Hundes und entfernte sämtliche Rippen, um das schlagende Herz freizulegen. Doch die Lungen waren erschlafft und schienen ihre Aufgabe nicht mehr zu erfüllen.
Das Schreien hörte sich fast menschlich an. Von John Comstocks Haus kam ein Mann mit distinguierter Stimme herüber, um deswegen nachzufragen. Daniel, zu trübäugig, um klar zu sehen, und zu müde, um klar zu denken, hielt ihn für den obersten Butler oder etwas dergleichen. »Ich werde ihm eine Erläuterung und eine Entschuldigung schreiben«, murmelte Daniel und sah sich nach einem Federkiel um, während er sich die blutverklebten Hände an seiner Hose rieb.
»Wem denn, bitte schön?«, fragte der Butler amüsiert. Für einen obersten Butler wirkte er allerdings recht jung. Anfang dreißig. Er trug ein Leinennachthemd. Auf seiner Kopfhaut schimmerte ein feinerTeppich blonder Stoppeln, wie sie jemanden kennzeichneten, der ständig eine Perücke trug.
»Dem Earl von Epsom.«
»Warum schreibt Ihr sie nicht dem Herzog von York?«
»Nun gut, schreibe ich sie ihm.«
»Warum verzichtet Ihr dann nicht ganz auf das Schreiben und sagt mir einfach, was zum Teufel Ihr da treibt?«
Daniel empfand dies als Unverschämtheit, bis er dem Besucher ins Gesicht sah und ihm aufging, dass es sich um den Herzog von York persönlich handelte.
Eigentlich hätte er sich verbeugen oder etwas dergleichen tun müssen. Stattdessen fuhr er zusammen. Der Herzog vollführte eine Gebärde, die zu bedeuten schien, dass das Zusammenfahren als gebührende Reverenz akzeptiert wurde und ob man nun bitte das Gespräch fortsetzen könne.
»Die Royal Society«, begann Daniel und streckte das Wort Royal wie einen Schild vor sich hin, »hat einen toten Hund mit dem Blut eines anderen Hundes zum Leben erweckt und nun eine Untersuchung der künstlichen Atmung begonnen.«
»Mein Bruder ist Eurer Society gewogen«, sagte James, »oder besser gesagt seiner Society, denn er machte sie zur königlichen.« Das, vermutete
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