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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Daniel, sollte erklären, warum er sie nicht allesamt auspeitschen ließ. »Der Lärm verwundert mich allerdings doch. Soll er die ganze Nacht weitergehen?«
    »Im Gegenteil, er hat bereits aufgehört«, betonte Daniel.
    Der Großadmiral ging ihm voran in die Küche, wo Hooke und Wilkins dem Hund ein Messingrohr in die Luftröhre geschoben und es mit demselben verlässlichen Blasebalg verbunden hatten, mit dem sie schon den Kopf des Toten zum Sprechen gebracht hatten. »Durch Betätigung des Blasebalgs waren sie imstande, die Lungen aufzublasen und zu entleeren und so zu verhindern, dass der Hund erstickte«, erklärte Charles Comstock, nachdem sich die Forscher vor dem Herzog verbeugt hatten. »Nun bleibt nur noch abzuwarten, wie lange sich das Tier auf diese Weise am Leben erhalten lässt. Mr. Waterhouse und ich werden uns am Blasebalg abwechseln, bis Mr. Hooke das Experiment für beendet erklärt.«
    Als Daniels Familiennamen fiel, huschte der Blick des Herzogs für einen Moment in seine Richtung.
    »Wenn das Tier um Eurer Untersuchung willen leiden muss, wollen wir dem Himmel danken, dass es das leise tut«, bemerkte der Duke und wandte sich zum Gehen. Die anderen machten Anstalten, ihm zu folgen, doch er hielt sie mit einem »Bitte fahrt wie gehabt fort« davon ab. Zu Daniel aber sagte er: »Auf ein Wort, Mr. Waterhouse, wenn ich bitten darf«, und so begleitete ihn Daniel auf den Rasen hinaus, wobei er sich mit einer gewissen Bangigkeit fragte, ob er schlimmer zugerichtet werden würde als der Hund.
    Noch vor wenigen Augenblicken hatte er den verrückten Impuls gezügelt, Seine Königliche Hoheit festzuhalten, ehe Seine Königliche Hoheit die Küche betrat, aus Angst, Seine Königliche Hoheit wäre angewidert von dem, was dort vor sich ging. Aber er hatte nicht berücksichtigt, dass der Herzog trotz seiner jungen Jahre schon an vielen Schlachten, sowohl zu Lande als auch zur See, teilgenommen hatte. Das hieß, der Herzog von York hatte, so schlimm die Geschichte mit dem Hund auch war, schon viel schlimmere Untaten an Menschen erlebt. Nach seinen Maßstäben war die Royal Society alles andere als eine Bande wahnsinniger, skrupelloser Schlächter, sondern ein Dilettantenverein. Für Daniel ein weiterer Grund (als ob es noch welcher bedurft hätte!), Übelkeit zu empfinden.
    Im Grunde kannte Daniel keine andere Methode zur Regelung seines Handelns, als sich rational zu verhalten. Auch Fürsten brachte man das eine oder andere über rationales Verhalten bei, genauso wie man sie ein wenig Lautespielen und passabel Ricercartanzen lehrte. Doch was ihr Handeln bestimmte, war ihre Willenskraft; letztlich machten sie, was sie wollten, ob rational oder nicht. Daniel hatte sich immer gern eingeredet, rationales Denken führe zu besserem Handeln als rohe Willenskraft; doch hier war der Herzog von York, der sie und ihr Experiment bloß mit einem ennuyierten Augenverdrehen bedacht und nichts Neues darin gesehen hatte.
    »Ein Freund von mir hat etwas Unangenehmes aus Frankreich mitgebracht«, verkündete Seine Königliche Hoheit.
    Daniel brauchte lange, um diese Äußerung zu entschlüsseln. Er versuchte auf hunderterlei verschiedene Weise, sie zu verstehen, doch plötzlich durchdröhnte die Erkenntnis seinen Verstand wie ein Donnerschlag ein kleines Wäldchen. Der Herzog hatte gesagt: Ich habe Syphilis.
    » Wie bedauerlich«, sagte Daniel. Denn er war sich noch nicht sicher, dass er richtig übersetzt hatte. Er musste sich überaus behutsam und vage äußern, damit das Gespräch nicht zu einer Komödie der Irrungen verkam, die mit seinem Tod durch Rapierstoß endete.
    »Manche sind der Meinung, es lasse sich mit Quecksilber kurieren.«
    »Das allerdings auch ein Gift ist«, sagte Daniel.
    Das war allgemein bekannt; aber für James Stuart, Herzog von York und Großadmiral, schien es zu bestätigen, dass er mit genau dem richtigen Mann sprach. »Bei so vielen klugen Doktoren in der Royal Society, die sich mit künstlicher Atmung und dergleichen beschäftigen, stellt man doch gewiss auch Überlegungen an, wie man einen Mann wie meinen Freund kurieren könnte.«
    Und seine Frau und seine Kinder, dachte Daniel, denn James musste es sich von Anne Hyde geholt oder an sie weitergegeben haben, und sie hatte es wahrscheinlich an ihre Töchter Mary und Anne weitergegeben. Bislang hatte James’ älterer Bruder, der König, keine legitimen Kinder zeugen können. Es gab reichlich Bastarde wie Monmouth. Aber niemanden, der als Thronerbe in

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