Quinn - Mitten ins Herz
Quinn merkte, wie sie sich an Branson klammerte, wollte sie sich peinlich berührt lösen. „Entschuldige, ich habe mich gehen lassen“, murmelte sie mit gesenktem Kopf, um ihm ja nicht in die Augen sehen zu müssen. „Dafür bin ich doch da, Quinn.“ Branson benötigte seine ganze Selbstbeherrschung, um sie nicht wieder an sich zu ziehen und ihre tränenfeuchten Wimpern zu küssen.
Ein Räuspern lenkte die beiden ab. Als sie zur Tür blickten, stand dort ein junger Mann. „Hi, ich bin Oliver Mason.“ „Hi“, vorsichtig nickte Quinn dem Fremden zu, der nun das Wohnzimmer betrat. „Ich bin Psychologe und sollte mal nach dir sehen. Aber Branson scheint meinen Job schon ganz gut zu machen.“ „Mhm.“ Quinn blinzelte verschämt. „Wenn es dir recht ist, möchte ich trotzdem gerne mit dir reden.“ Er setzte sich auf den Sessel ihnen gegenüber. „Branson kann auch dabei bleiben, wenn du dich dann besser fühlst.“ Hilflos sah Quinn Branson mit großen Augen an. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so sicher und geborgen gefühlt wie eben in seinen Armen. „Ich bleibe bei dir, wenn du das möchtest.“ Als Branson sanft über ihren Handrücken strich, schoss ein Schlag wie elektrischer Strom durch ihren Körper. Quinn schnappte nach Luft. Dann sah sie Oliver an. „Warum?“
„Warum, was?“, fragte der zurück.
„Warum kümmert ihr euch so um mich?“, präzisierte sie.
„Hm, das ist schwierig zu erklären. Hilft es dir, wenn ich sage – Weil wir die Guten sind?“
„Wow. Ja.“ Sie riss die Augen auf.
„Das ist alles ziemlich überwältigend, nicht wahr?“ „Ja“, bestätigte Quinn.
„Ich war auch normalsterblich, bevor ich meine Seelenverwandte kennenlernte“, erklärte er ihr. „Oh.“ „Du siehst, wir sind keine verrückten Bestien.“ Quinn nickte und kaute nachdenklich an ihrer Unterlippe. Oliver wollte ihr Zeit geben und wandte sich an Branson. „Christopher?“ „Ja?“ „Ist bei dir alles in Ordnung? Möchtest du über irgendetwas sprechen?“
„Es läuft deutlich besser als erwartet. Du kannst mich lesen, oder?“
„Ja, deine Konzentration ist am Boden.“
„Das sagte Mel schon“, brummte Branson.
„Sie ist so stolz, weil sie einen Unsterblichen lesen kann“, grinste Oliver.
„Diese kleine Schlange“, erwiderte Branson lächelnd, „dabei tut sie immer so als wäre Gedankenlesen das schlimmste Vergehen auf der Welt.“
„Es ist ja auch wirklich unhöflich“, murmelte Quinn. „Wieso kann dich jeder lesen? Ist mit dir irgendetwas nicht in Ordnung?“, erkundigte sie sich, „erst kannst du mich nicht lesen und nun -“ Mühsam unterdrückte Oliver ein lautes Lachen und antwortete, da Branson Quinn nur hilflos anstarrte. „Es ist alles in Ordnung. Branson wird es dir erklären. Aber vorher musst du noch andere Sachen lernen, um es verstehen zu können. Mach einen Schritt nach dem anderen, sonst wird es zu viel. Quinn, du bist eine großartige Frau. Trotz all deiner Angst, deinem Kummer und deiner Verzweiflung hast du noch Platz in deinem Herzen, um dich nun auch noch um Branson zu sorgen. Ich weiß, dass du dich früh um alles kümmern musstest, auch um deine Schwester. Aber lerne nun Lasten zu teilen. Du kannst nicht alles allein tragen. Jeder, der dich hier kennengelernt hat, hat dich gern. Ja, trotz deiner Mordlust“, fügte er lächelnd an, als Quinn beschämt ihren Kopf senkte. „Du warst verzweifelt. Das verstehen wir alle. Und besonders uns, die wir gewandelt wurden und nicht als Unsterbliche geboren, ist bewusst, wie erschreckend der Kontakt mit einer Welt ist, von der wir nie geahnt haben, dass es sie gibt.“ Er erhob sich von seinem Platz. „Ich komme demnächst wieder. Du brauchst Zeit, um alles zu verarbeiten. Komm, Branson.“ „Aber -“ Unsicher sah der Quinn an. „Quinn braucht einen Moment für sich. Komm besser mit.“ Unschlüssig sah Branson noch einmal zu Quinn, verließ dann aber mit Oliver das Wohnzimmer, als sie kurz nickte.
„Quinn!“ Branson stellte das Glas Saft, das er Quinn eigentlich hatte bringen wollen, auf den Wohnzimmertisch und sah sich in dem leeren Raum um. Mit einem Blick entdeckte er die offene Verandatür und war auch schon draußen. Sofort roch er den leichten Bluthauch in der Luft und folgte dem Aroma. Er spürte, dass Melissa und Darren ihm auf den Fersen waren. Der Zaun um das Grundstück war zu hoch und zu gut gesichert, um ihn einfach zu überklettern. Und offenbar hatte Quinn sich dabei verletzt und
Weitere Kostenlose Bücher