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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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die die Stadt Huamanga berühmt war, ihre Standarten schwangen, darauf die religiösen Orden, aufgestellt nach dem Jahr ihrer Gründung: Dominikaner, Franziskaner und Mercedarier. Ein Dutzend Ministranten schwenkten die Weihrauchfässer um den Baldachin, der die goldene Monstranz schützte. Das Schlusslicht bildeten Hellebardiere.
    Endlich konnten sie weiterziehen. Sie durchquerten eine felsige, verbrannte und unfruchtbare Gegend und ließen Ocros und Chincheros hinter sich. An keinem dieser Orte konnten sie etwas über Carvajals Truppe in Erfahrung bringen, denn die Bewohner waren äußerst abweisend. In Andahuaylas begegneten sie ihnen sogar mit offener Feindseligkeit.
    Am Kirchenportal drängten sich die Indios vor einem Anschlag. Es war eine aufrührerische Schmähschrift, in der gegen jene Allianz gewettert wurde, die die spanischen Bourbonen gerade mit den Franzosen gegen die Engländer eingegangen waren:
     
    |303| Ich
sch
… auf die gute Union
    von Spaniern und Franzosen.
    Ich
sch
… dreihundert Mal in die Hosen
    auf diese große Expedition;
    Ich
sch
… auf die Legionen
    von Mörsern und Kanonen.
    Ich
sch
… auf die Tyrannen
    Für immer und ewig, amen.
     
    Der Anschlag endete auf recht originelle Art, indem er die tüchtige englische Flotte rühmte und sich über das Vaterland mokierte:
     
    Es mangelt ihr nicht an Schiffen,
    es fehlet ihr nicht an Mut,
    an Wildheit hat sie nicht verloren,
    und zaudern, das mag sie nicht,
    nicht, nicht, nicht.
    Nicht glücklich Spanien,
    einst groß und heute ein Nichts,
    nicht einer wird dich mehr fürchten,
    und Ruhm erlangst du nicht,
    Nicht, nicht, nicht.
     
    »Das gefällt mir gar nicht, nicht, nicht«, brummte Gálvez.
    Sebastián war jedoch nicht zum Scherzen aufgelegt. »Lassen Sie uns verschwinden, bevor hier ein Aufstand losbricht.«
    »Davor fürchte ich mich nicht. Wir haben gute Soldaten«, erwiderte der Unteroffizier.
    »Es geht nicht darum, dass wir uns den Weg mit Waffengewalt bahnen. Wir brauchen die Einheimischen, damit sie uns helfen, Carvajal und Montilla ausfindig zu machen. Sie dürfen uns auf keinen Fall mit diesen Schlächtern verwechseln.«
    Folglich verhielten sie sich äußerst wachsam, bis sie in eine sanft bewaldete, von großen Bergschluchten und Zuckerrohrfeldern geprägte Gegend kamen, die erfüllt war von summenden |304| Wespen und dem betäubenden Geruch nach bitterer Melasse und Trester.
    Als sie gerade einen Steilhang erklommen, entdeckten sie sie schließlich.
    Sebastiáns Herz tat einen Satz, als er durchs Fernglas Umina erblickte, die, als Mann verkleidet und das Haar unter einem breitkrempigen, hohen Hut versteckt, zwischen Carvajal und Montilla ritt. Erleichtert atmete er auf, als er sah, dass es ihr gut zu gehen schien, und ließ den Zug hinter der Kuppe rasten, während er mit Gálvez und Qaytu die Lage erörterte.
    Der Maultiertreiber versuchte, ihm etwas mitzuteilen. Sebastián verstand ihn nicht, weshalb Gálvez ihm zu Hilfe kam.
    »Ich glaube, er meint die Leute, die von allen Seiten zusammenströmen. Sie wollen alle in die Stadt.«
    Und er zeigte auf die Pfade, die sich zwischen den Landgütern hindurchschlängelten und in Abancay zusammenführten.
    »Gibt es keinen anderen Weg hindurch?«
    »Nein. Die Stadt ist vollständig von Landgütern umgeben. Die einzige Möglichkeit, die Talsohle zu durchqueren, führt über die Hauptstraße.«
    Da rüttelte Qaytu Sebastián an der Schulter und zeigte nach unten. Das war in der Tat äußerst merkwürdig. Eine immer größer werdende Zahl von Indios umringte Carvajals Truppe und drängte sie in die Stadt hinein.
    »Was passiert mit Umina?«, fragte Sebastián besorgt, als er sah, dass sie sie ebenfalls bedrängten.
    »Keine Angst, ihr passiert schon nichts. Carvajal wird sie beschützen.«
    Dem Ingenieur missfiel Gálvez’ ironischer Ton, den er immer bemerkte, wenn es um die Mestizin ging.
    »Was wollen Sie damit andeuten?«, fragte er ihn geradeheraus.
    »Ich meine, dass mit einer so wertvollen Geisel alles passieren kann«, erwiderte Gálvez zweideutig. »Vermutlich wollen sie zu seinen Ländereien, die hinter der Stadt liegen.«
    |305| Qaytu wies nun auf eine Gruppe Indios, die sehr ausgelassen wirkte und neben einem Karren mit einem Käfig herlief.
    »Was ist das?«, fragte Sebastián Qatyu, während er ihm das Fernglas reichte.
    Der Maultiertreiber sah hindurch, gab es ihm zurück und ahmte mit seinen Armen den Flügelschlag eines Vogels nach.
    »Er meint einen Kondor«,

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